16. Februar 2021
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Classroom-Management ist für uns alle ein Begriff – in Zeiten von Corona und Lockdown verschiebt sich aber das Lernen vom Klassenzimmer ins Wohnzimmer.

Eine ganz neue Situation für und Lehrer/-innen, aber auch für Eltern und vor allem für unsere Schüler/-innen.

Schnell sprießen Begrifflichkeiten wie Pilze aus dem Boden: Homeschooling, Fernunterricht, Lernen auf Distanz, Schulisch angeleitetes Lernen zu Hause. All diese Begriffe sind mehr oder weniger passend für die aktuelle Situation.
Lernen findet zu Hause statt und natürlich auch auf eine Art Distanz. Gemeinsames Lernen im Klassenraum, spielen auf dem Schulhof, Konflikte (vielleicht auch mit Unterstützung der Lehrkraft) lösen, Austausch unter Kolleg/-innen im „Lehrerzimmer“, all das kann aufgrund der Distanz nicht mehr stattfinden.
Anstatt dass sich Eltern morgens von ihren Kindern verabschieden, verbringen sie nun viel Zeit miteinander und rücken enger zusammen. Zu Hause.

Social Distance?

Aber sind wir wirklich auf Distanz? Social Distance? Ich denke nicht.

Alle Beteiligten haben sich schnell auf die neue Situation eingestellt und geben ihr Bestes. Ich erlebe viel Kreativität und Ideenreichtum bei meinen Kolleg/-innen.
Welche Inhalte lassen sich durch welches digitale Tool am besten vermitteln. Welche Inhalte eignen sich überhaupt für diese neue Lernsituation und welche nicht? Wie sind die Lernbedingungen zu Hause? Wie sind meine Kapazitäten als Lehrer/-in?


Die Situation zu Hause

Die Lernvoraussetzungen variieren in den einzelnen Haushalten sehr stark.
Einige Kinder haben ein eigenes Zimmer, in dem sie ungestört lernen können, andere teilen sich mit mehreren Geschwistern ein Zimmer. Während einige Kinder von ihren Eltern unterstützt werden können, können das andere Eltern aus unterschiedlichsten Gründen nicht.

Wie ist die Ausstattung mit digitalen Endgeräten etc. der Kinder? Teilen sich mehrere Kinder und vielleicht auch Eltern im Home-Office dasselbe Gerät?

Diese Fragen sind von Bedeutung, wenn ich meinen Unterricht planen und umsetzen möchte. Sind Videokonferenzen überhaupt mit allen Kindern möglich? Über welche Wege sind die Kinder dann erreichbar? Hier sollten alle Möglichkeiten genutzt werden: Telefon, Treffen etc. Das Wichtigste ist aktuell die Beziehung zu den Kindern, der Kontakt und der Austausch!

Damit sollten Lehrer/-innen nicht allein bleiben. Alle Ressourcen von Schule, wie Einbindung von Erzieher/-innen, Sozialarbeiter/-innen und der Notbetreuung sollten unterstützend mit einbezogen werden.
Bildet Teams! Mit Kolleg/-innen, mit den Kindern und mit den Eltern.


Ein unüblicher Fokus? Die Eltern

Die Eltern von Grundschüler/-innen sind wichtige Teampartner/-innen für uns Lehrer/-innen. Sie bekommen einen größeren Einblick in das Lernen ihrer Kinder.

Viele Eltern sind aktuell im Home-Office, aber einige Berufe lassen sich nicht zu Hause ausüben.

Auch ich bin als Mutter von drei Kindern im Home-Office. Ein ganz schöner Drahtseilakt! Konzentriertes Arbeiten und Kinderbetreuung lassen sich eigentlich gar nicht kombinieren. Jetzt haben wir keine andere Wahl.
Hinzu kommt das Zubereiten von Mahlzeiten für die Kinder, Wäsche, spielen, berufliche Termine, Videokonferenzen und Abgabetermine für die Schulkinder im Blick behalten, Fragen der Kinder beantworten… Und die eigenen Bedürfnisse? Die Situation ist für Eltern anstrengend.
Ich kann für unsere familiäre Situation sagen, dass es hilft einen Rahmen zu setzten, der Struktur bietet, aber den Kindern auch genug Raum für Spontanität lässt. Und herauszubekommen, dass einiges auch vielleicht einfach nicht so wichtig ist. Bei uns: zusammengelegte Wäsche im Schrank.

Mit der Zeit ruckelt sich hier bei uns zu Hause alles zurecht, unser Leben gleicht immer mehr einer wuseligen Studenten-WG, aber alle sind glücklich damit, auch wenn es hin und wieder Konflikte gibt. Auch hier ist der Austausch wichtig und vielleicht müssen manche Abläufe auch nachgesteuert werden.


Die Kinder

Lernen! Ich habe in der letzten Woche beeindruckt festgestellt, wie unsere 10-jährige ihre bearbeiteten Aufgaben abfotografiert, sich als E-Mail schickt, alles in einem Ordner ablegt, dann in der Schulcloud hochläd und das erledigte Thema archiviert. Großartig. In der Woche zuvor brauchte sie da noch Unterstützung.
Die Kinder lernen eine Menge neben den inhaltlichen Themen in den einzelnen Fächern: Digitale Bildung, Selbstorganisation, Strukturierung… alles nachhaltige, zukunftsweisende Fähigkeiten.
Ich finde, das sollte man sich immer wieder vor Augen führen und den Kindern auch rückmelden.

Die Kinder vermissen allerdings ihre Mitschüler/-innen, andere Kinder. Gar nicht im Speziellen die beste Freundin oder den besten Freund, sondern die Gruppensituation. Die Klassengemeinschaft ist so wichtig als sozialer Abgleich, damit Kinder ihr Selbstbild weiter entwickeln können. Durch Videokonferenzen, ohne unterrichtliches Thema, Briefe schreiben, gemeinsam zu erledigende Aufgaben, kann man auch jetzt das Wir-Gefühl fördern. Zumindest ein bisschen.
All das stärkt die Kinder in ihrem sozialen Gefüge.


Wir Lehrer/-innen

Unser erwartetes Berufsbild hat sich in der aktuellen Situation total gewandelt. Ich für meinen Teil vermisse das Zusammensein mit den Schulkindern sehr. Nicht umsonst habe ich einen sozialen Beruf gewählt. Und nun?

Auch ich bin Zerrissen zwischen meinem Anspruch, sowohl meinen eigenen Kindern, als auch meinen Schüler/-innen gerecht zu werden. Was hilft? Wie werde ich beiden Rollen gerecht?

Wir bilden Teams! Im Klassenteam haben wir den Bedarf der Kinder analysiert und auch unsere eigenen Bedingungen berücksichtigt.
Die Klassenlehrerin (Mutter einer Einjährigen) erstellt Wochenpläne und integriert wundervolle Erklärvideos. Videokonferenzen sind in ihrer Situation zu Hause schwierig.
Eine andere Kollegin bietet täglich eine Frühsportstunde an, Mathe wird über eine Videokonferenz abgedeckt und ich biete ein freiwilliges Programm für die Familien an: Zum eine in Form eines Padlets mit Ideen für die Zeit des Lockdowns, zum anderen durch eine Vorlesestunde, Sprachförderung und Videokonferenzen, um z.B. einige Methoden nochmals zu besprechen.
Dies kann sehr individuell sein. Auch hier sind die Eltern wichtige Teampartner, weil sie gut rückmelden können, was sie in ihrer häuslichen Situation umsetzen können. Ich bin darüber sehr dankbar und biete dann gerne Sprechstunden etc. an.

Wichtig sind klare, regelmäßige Absprachen im Team, Austausch und Abgucken. In jedem Kollegium gibt es Personen, die besonders fit im Bereich der digitalen Tools sind. Wissen darf geteilt werden und erstellte Arbeitsmaterialien natürlich auch.


 

Bei all den Anstrengungen und Unwegsamkeiten in dieser Zeit des Lockdowns, sollten wir doch immer wieder versuchen, unseren Blick auf das Positive zu richten. Wir sollten die Beziehungen zu Kindern, Eltern und Kolleginnen in den Vordergrund stellen und uns dabei auch selbst im Blick behalten. Denn nur so können wir es schaffen. Für die Kinder.

Wie geht es euch in der Situation des Lockdowns? Welche unterstützenden Teams funktionieren gut? Welche Möglichkeiten nutzt ihr zur Gestaltung des schulisch angeleiteten Lernens zu Hause?

Bleibt gesund und in Kontakt.

Ich freue mich schon auf den 2. Teil zum Thema „Livingroom-Management und Kinderzimmer Productions“: Erfolgreiches Lernen zu Hause

Liebste Grüße
Carolin Gerdom-Meiering

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