29. April 2020
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Seit der vergangenen Woche ist es klar: Das Lernen daheim wird viele unserer Schülerinnen und Schüler, aber auch die Eltern und Lehrkräfte weiterhin begleiten. Ich habe bei unseren Nachbarn in Österreich gefragt, wie sie das Lernen daheim erleben. Die Lehrerin Christine Stieger und die Mutter Manuela Meissnitzer-Lackner haben mir von ihren Erfahrungen berichtet.


Aus der Sicht einer Lehrkraft

Mein Name ist Christine Stieger und bin 52 Jahre alt. Ich bin mit Unterbrechung seit 30 Jahren Grundschullehrerin. Zur Zeit habe ich eine dritte Klasse, welche ich schon seit der ersten Klasse unterrichte. Ich habe 2 Söhne im Alter von 13 und 18 Jahren. Der jüngere Sohn geht in die 4. Klasse Unterstufe von einem Realgymnasium.

Der ältere Sohn geht in die 4. Klasse einer Höheren Technischen Schule für Elektronik. Das heißt, auch meine eigenen Kinder haben zurzeit „Homeschooling.“ Meine Hobbies sind: Wandern, Bergsteigen, Schi fahren, überhaupt unterwegs sein in der Natur und Lesen.

Christine Stieger

Foto: Christine Stieger

1. Liebe Frau Stieger, seit wann gestalten Sie das „Schooling at Home“ für Ihre Schülerinnen und Schüler?

In Österreich war der letzte reguläre Unterricht am 13.03.20. An diesem Tag habe ich den SchülerInnen und Schülern die ganzen Bücher und Hefte mitgegeben. Ich arbeite im üblichen Unterricht mit Wochenplan. Das heißt, die Kinder bekommen jede Woche von mir einen Wochenplan, an dem sie täglich so 1 bis 2 Stunden arbeiten. Somit sind die Kinder selbstständiges Arbeiten seit der ersten Klasse gewöhnt. Am 13.03. habe ich den Kindern einen Arbeitsplan über 2 Wochen mitgegeben. In meiner Klasse habe ich heuer zu Schulbeginn auch ein eigenes digitales Kommunikationstool namens „SchoolFox“ installiert. Das heißt, ich kommuniziere schon das ganze Schuljahr digital mit diesem Tool und somit läuft das schon ganz gut. Aufgrund der CoV-Krise wurde dieses Tool in der gesamten Schule installiert.

2. Wie strukturieren Sie die Lerneinheiten?

Ich bereite den Kindern einen Wochenplan über 2 Wochen vor. Dabei habe ich Aufgaben in Deutsch Lesen-Schreiben, Mathematik, Sachunterricht, Zeichnen, Englisch und Basteln. Die Aufgaben in Zeichnen, Englisch und Basteln versuche ich einfach zu gestalten und der Spaßfaktor soll im Vordergrund stehen. Hauptsächlich bekommen die Schüler Aufgaben in Deutsch und Mathematik. Oft sind die Aufgaben aus dem Buch, welche die Kinder ins Buch oder ins Heft machen müssen. Es gibt aber auch Arbeitsblätter und Aufgaben auf dem Computer, wie z.B. Leseförderung Antolin, die Anton-App. Im Sachunterricht gebe ich den Kindern Arbeitsblätter mit, welche sie über Wikipedia ausfüllen können oder Aufgaben aus der Anton-App. Ich schicke den Eltern den Wochenplan mit den Arbeitsblättern per Mail oder die Eltern können die Lernpakete, welche in der Garderobe der Schule abgelegt sind, am Vormittag selbstständig abholen.

3. Welche Materialien eignen sich Ihrer Erfahrung nach in besonderer Weise für das „Schooling at home?“

Besonders gut eignen sich Materialien, die digital sind und welche die Kinder selbstständig bearbeiten können. Grundsätzlich ist es aber wichtig, dass die Anweisungen ganz klar und möglichst einfach sind, damit nicht zu viele Fragen entstehen. Die Arbeiten im Buch sind meist selbsterklärend.

4. Welche Rückmeldungen mit Blick auf die Erfahrungen „Ihrer“ Kinder und Eltern mit dem „Schooling at Home“ erhalten Sie?

Nachdem die Kinder selbstständiges Arbeiten mit dem Wochenplan schon gewohnt sind, war der Übergang zum „Homeschooling“ recht einfach. Bei Fragen können sich die Eltern ja jederzeit über SchoolFox an mich wenden. Schwieriger wird es, wenn das „Homeschooling“ länger andauert und die Kinder neue Sachen lernen sollen. Dann werde ich wahrscheinlich Kurzvideos versenden. Schwierig ist es, weil bei mir nicht alle Eltern einen Computer zuhause haben, aber auch über das Handy gibt es ja verschiedene Möglichkeiten zu kommunizieren.

5. Wo liegen Ihrer Meinung nach Hindernisse beim „Schooling at Home“?

Das ist sicherlich die technische Ausrüstung zu Hause. Wenn die Kinder keinen Zugang zu einem Computer haben, ist manches nicht so möglich. Meine eigenen Kinder haben beinahe täglich Videochats, wo ihnen neue Lerneinheiten erklärt werden. In der Grundschule ist das aber noch nicht so möglich. „Homeschooling“ hängt natürlich auch sehr an der Bereitschaft der Eltern, wie sehr sie ihre Kinder unterstützen können. Ich kann nur Hilfe anbieten oder wenn ich von den Kindern länger nichts höre, dann rufe ich an und frage nach, wie es so läuft. Wichtig erscheint mir, dass der Kontakt aufrecht erhalten bleibt.

6. Welche Tipps geben Sie Eltern für das „Schooling at Home“?

Bei Fragen unbedingt die Lehrerin oder den Lehrer kontaktieren. Darauf achten, dass es nicht zu viel „Stress“ mit den Kindern gibt, denn es ist einfach eine besondere Situation und es kann einem ja mal „die Decke auf den Kopf fallen“. Dann unbedingt eine Pause für alle einlegen. Später geht es vielleicht wieder besser.


Aus der Sicht einer Mutter

Mein Name ist Manuela Meissnitzer-Lackner, ich bin Mutter von 2 Kindern. Meine Tochter geht in die 4. Klasse einer privaten Volksschule, mein Sohn in die 2. Klasse in einem öffentlichen Gymnasium. Ich habe Pädagogik und Psychologie studiert und arbeite seit über 15 Jahren in der Suchtprävention. Mein Mann ist im 2. Bildungsweg seit kurzem Lehrer.

1. Wie erleben Sie und Ihre Kinder die derzeitige Situation des „Schooling at Home“?

Am Anfang war es eine große Herausforderung, neben Homeoffice auch bei „Homeschooling“ zwei Kinder zu begleiten. Ich denke auch für die Lehrkräfte war es eine Herausforderung, mit der neuen Situation umzugehen. Aus den Whatsapp-Gruppen der Volksschule wurden zunächst ganz unterschiedliche Stimmen laut. Einigen war es zu viel an Arbeitsaufträgen für die Kinder, andere hatten Angst, sie lernen nun zu wenig. Mittlerweile hat sich das sehr gut eingespielt, vor allem weil die Lehrerin meiner Tochter sehr bemüht war, zu beruhigen und keinen Druck ausgeübt hat. Weiterhin hat sie mit den Kindern eine gute Möglichkeit gefunden, Kontakt zu halten, zum Beispiel mittels E-Mails auf Antolin. Seit kurzer Zeit hat meine Tochter Videokonferenzen mit der Lehrerin und ihren Klassenkameraden. Seit Ostern sind die Aufgaben auch tageweise in Form eines Wochenplanes portioniert. Das unterstützt sehr im Arbeitsaufteilungsprozess.

2. Welche Faktoren unterstützen Sie dabei?

Dass die Kinder sehr selbstständig und bemüht sind und ihre Aufgaben gut lösen. Struktur und Organisation der Lehrerinnen und Lehrer wurden in den ersten Wochen adaptiert, aus dem Feedback von Problemen gelernt und die Anregungen neu umgesetzt. Anfangs kamen die Aufgaben unvermittelt und portionsweise. Heute werden Wochenarbeitspläne mit Tagesportionen von der Lehrkraft herausgegeben. Das ist für Kinder und Eltern einfach übersichtlicher.

3. Welche Aspekte empfinden Sie als herausfordernd?

Es ist herausfordernd eine Struktur zu finden. Wenn man selbst im Homeoffice steckt, muss man an manchen Tagen immer wieder die eigene Arbeit unterbrechen. Auch ist es nicht immer einfach, eine passende IT-Infrastruktur zu schaffen. Viele Kinder – gerade im Volksschulalter – haben noch kein mobiles Endgerät, mit dem sie arbeiten können. Wie aber soll gearbeitet werden, wenn alle vier Personen im Haushalt gleichzeitig ein Meeting haben oder am Laptop oder PC etwas ausarbeiten müssen? Auch die Verfügbarkeit von Plattformen war zunächst eine Herausforderung, denn die war anfangs nicht immer gegeben. Die Kinder mussten dann teilweise immer wieder probieren. Manchmal wurden ihre Arbeitsprozesse abgebrochen, teilweise konnten die Kinder erst abends arbeiten.

4. Was wünschen Sie sich mit Blick auf das „Schooling at Home“?

Das lässt sich einfach auf den Punkt bringen: Ganz wichtig ist Transparenz! Das heißt: Klare Strukturen, einheitliche Plattformen, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt sollen Aufgaben abgegeben werden. Und – für Kinder und Eltern bedeutsam: Es sollte Rückmeldungen zu den Aufgaben geben.

Wie erlebt ihr das „Schooling at Home“? Welche Herausforderungen habt ihr zu meistern? Welche Tipps habt ihr für Kolleginnen und Kollegen, für Eltern und Kinder? Über einen Austausch mit euch freut sich

Alexandra v. Plüskow-Kaminski.

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