17. Mai 2023
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Zur Lehrerfortbildung in die Karibik? Wie das möglich ist, erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag.


Was ist Erasmus+?

Erasmus+ ist das EU-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, sowie Jugend und Sport in Europa. Vielen ist der Begriff Erasmus wahrscheinlich noch aus der eigenen Schulzeit (Schüleraustauschprogramm) oder aus dem Studium (Auslandsemester) bekannt. Die Erasmus-Angebote sind jedoch äußerst vielfältig und auf verschiedenste (Bildungs-)Einrichtungen spezialisiert. So fördert Erasmus+ beispielsweise die Zusammenarbeit von Schulen, den Schüleraustausch ebenso wie Hospitation und Fortbildung von Lehrkräften und pädagogischem Personal.

Für Schulleitungen, Lehrkräfte und anderes pädagogisches Personal ist die Leitaktion 1 (Key Action 1) besonders interessant. Durch diese erhält man die Möglichkeit, an einer Mobilitätsaktion (Fortbildung) im europäischen Ausland teilzunehmen, mit dem übergeordneten Ziel, die europäische Identität zu stärken. Gerade in der aktuellen Lage mit wachsender antieuropäischer und antidemokratischer Haltung sind interkulturelle Erfahrungen (für Lernende in allen Instanzen) besonders wichtig, um der Bildung von Vorurteilen entgegenzusteuern und Vielfalt wertzuschätzen.

Die Antragstellung erfolgt dabei durch die Bildungseinrichtung. Die Möglichkeit besteht für alle Schulformen. Eine Antragstellung einer einzelnen Person ist nicht möglich. Meine Schule ist beispielsweise eine dreizügige Grundschule und seit 2017 für Erasmus+ akkreditiert.  Zu den von uns ausgewählten Themenschwerpunkten bildet sich unser Personal jährlich fort. Das langfristige Ziel ist, ein europäisches bzw. internationales Schulprofil zu entwickeln. Natürlich dienen die durch Erasmus+ geförderten Mobilitäts- und Kooperationsmöglichkeiten auch der Erweiterung fachlicher, methodischer sowie persönlicher Kompetenzen. Die Teilnehmenden erhalten nach der Genehmigung des Antrags einen Teil der EU-Finanzmittel zur Deckung ihrer Teilnahmekosten (Kursgebühr, Reisekosten, Unterkunft + Verpflegung). Die dafür festgelegte Pauschale variiert nach Zielland.

Wie man sich für Erasmus+ als Schule akkreditiert und welche Fortbildungsmöglichkeiten bestehen, möchte ich euch in meinem nächsten Beitrag zusammenfassen.

Nachfolgend findet ihr hier zunächst einen kleinen Erfahrungsbericht über meine kürzlich absolvierte Lehrerfortbildung auf Guadeloupe.


Thema der laufenden Mobilitätsaktion meiner Schule:

Das aktuell laufende Fortbildungsthema meiner Schule lautet „Interkulturelles Lernen – Kulturelle Vielfalt nutzen“ (Intercultural learning – benefiting from cultural diversity). Ein Thema, dessen Herausforderungen wir uns täglich stellen und welches nicht aktueller sein könnte. Da wir uns um die Zertifizierung als Europaschule bewerben möchten, ist das Thema für unsere schulische Weiterentwicklung diesbezüglich sehr hilfreich.

Interkulturelle Kompetenz ist in unserer multikulturell geprägten Gesellschaft eine Schlüsselqualifikation, die es bereits von jungen Jahren an aufzubauen gilt. Wir Lehrkräfte spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung der Wahrnehmung und Akzeptanz kultureller Differenzen, bei der Vermittlung von (europäischen) Werten und dem Aufbau interkultureller Handlungs- und Konfliktlösekompetenz bei den Lernenden.

Wie können wir es schaffen, dass sich alle in ihrer Verschiedenheit willkommen und wahrgenommen fühlen? Wie schaffen wir es, die vielen Herkunftssprachen der Kinder in den Unterrichtsalltag zu integrieren? Wie gelingt es, kulturelle Besonderheiten der unterschiedlichen Herkunftsländer zum festen Bestandteil unseres Schulalltags zu machen?

Mein Kollegium versucht, durch die Fortbildungsmaßnahmen und den internationalen Austausch aktuell Antworten auf diese Fragen zu erarbeiten und so unsere Schulentwicklung voranzutreiben. Jeder Teilnehmende sammelt unterschiedliche Erfahrungen und Ideen, die wir am Ende zusammentragen und für unsere Schule nutzen.

Für mich ging die Reise nach Guadeloupe – in die Karibik – zu einer außergewöhnlichen, interkulturellen Fortbildungserfahrung: A door with a classroom to the world


Mit Erasmus+ KA1 nach Guadeloupe:

Guadeloupe ist ein französisches Überseedepartement im südlichen Karibischen Meer, weshalb die Mobilitätsaktion von der EU bezuschusst wird.

Die Reise führte mich über Paris auf die „Schmetterlingsinsel“. Guadeloupe besteht aus sieben bewohnten sowie einigen unbewohnten Inseln. Die beiden Hauptinseln Basse-Terre und Grand-Terre bilden die Form eines Schmetterlings, wodurch dieser karibische Teil Frankreichs zu seinem Namen kam – Guadeloupe.

Der zehntägige, englischsprachige Kurs „A classroom with a door to the world” fand in Sainte-Anne auf Grand-Terre statt. Die 13 Teilnehmenden des Kurses kamen aus Deutschland und Tschechien. Dabei handelte es sich um Lehrkräfte und pädagogisches Personal von der Grundschule bis zur berufsbildenden Schule. Die Unterkünfte waren frei wählbar, ebenso konnte man die Anreise so gestalten, dass sie für jeden optimal passte. Einige kamen erst kurz vor Kursbeginn an, andere hatten bereits das Wochenende unter Palmen zum Ankommen genutzt.

In unserem Outdoor Classroom haben wir uns viel mit den Themen Identität und Kultur befasst. Denn sobald wir uns mit einer anderen Kultur auseinandersetzen und in diese eintauchen, lernen wir auch über unsere eigene, reflektieren diese und uns selbst.

Nachfolgend findet ihr eine kleine Brainstorming-Activity für euch, die ich sehr spannend fand:

Schreibt 6 Begriffe/Eigenschaften auf, die sich auf EURE Identität beziehen, die EURE persönliche Identität beschreiben (lest erst im Anschluss weiter!):

Grafik Identität

Grafik: Vanessa Thiel


Vielleicht habt ihr nun festgestellt, dass ihr die Eigenschaften notiert habt, die ihr am meisten an euch wertschätzt! Loyal, empathisch, fleißig, humorvoll – was auch immer ihr notiert habt – mit den ausgewählten Wörtern setzt man definitiv ein Statement über sich, über seine Person. Also wer seid ihr?

Die eigene persönliche Identität und das Zugehörigkeitsgefühl einer Person zu einem Staat, zu einer Nation – ein Gefühl, das man mit einer Gruppe von Menschen teilt, unabhängig von der eigenen Staatsbürgerschaft – bildet die nationale Identität.

Ich fand es sehr spannend, sich mit der Identität und dem Kulturbegriff auseinanderzusetzen, da ich dies in meinem Alltag nur selten reflektiere.

Es ist aber wichtig, insbesondere wenn man auf professioneller Ebene verschiedenen Kulturen begegnet.

Durch diverse Exkursionen und Erfahrungen konnten die Teilnehmenden die kreolische Kultur Guadeloupes kennenlernen, sich austauschen und natürlich auch ihre Fremdsprachenkenntnisse aufbessern. Weitere Kursschwerpunkte waren „international learning“ (global citizenship) and how to internationalise the curriculum of one’s school. Eine weitere Aufgabe lautete, eine International Policy zu verfassen bzw. einen Entwurf dessen, welche wir dann unseren Schulen präsentieren können.

Es war eine wertvolle Erfahrung, selbst noch einmal Lernende zu sein, in eine andere Kultur und ihre Geschichte einzutauchen und mehr über die aktuellen Herausforderungen der multikulturellen Gesellschaft auf Guadeloupe zu erfahren.


Transfer zur Bildungseinrichtung:

Wie erwähnt, möchte meine Schule als „Europaschule“ zertifiziert zu werden. Dafür internationalisieren wir unser Schulprogramm, nehmen an europäischen/internationalen Projekten und Wettbewerben teil und überarbeiten unser schulinternes Curriculum. Durch die Weiterentwicklungen der Lehrpläne in NRW ist Letzteres ohnehin notwendig und die Erstellung von Arbeitsplänen bzw. deren Überarbeitung dauert an meiner Schule noch an.

Aktuell arbeiten wir daran, die fächerübergreifenden Querschnittsaufgaben, die im weiterentwickelten Lehrplan NRW 2021 aufgelistet werden, in unser schulinternes Curriculum zu implementieren. Unser Unterricht soll in den verschiedenen Fächern die Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortungsvollen, für ein friedliches und diskriminierungsfreies Zusammenleben einstehenden Persönlichkeit unterstützen.

Demnach sollen alle Fächer einen Beitrag zu den folgenden Querschnittsaufgaben leisten:

  • Menschenrechtsbildung,
  • Werteerziehung,
  • politische Bildung und Demokratieerziehung,
  • Medienbildung und Bildung für die digitale Welt,
  • Verbraucherbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung,
  • geschlechtersensible Bildung,
  • kulturelle und interkulturelle Bildung.[1]

Insbesondere der Sachunterricht leistet mit den Bereichen „Demokratie und Gesellschaft“, sowie „Raum und Mobilität“ einen großen Beitrag zur Europabildung, legitimiert die Internationalisierung unseres Curriculums und verzahnt sich so noch effizienter mit unserem Schulprogramm.

Durch unseren bilingualen Sprachenzweig sind wir ohnehin sehr geeignet, Europaschule zu werden. Die Ausrichtung unseres Schulprogramms am Europa-Profil ist, wie bereits genannt, in Arbeit. Die nächste anstehende Aufgabe ist die Implementierung eines Austauschprogramms, welches für eine Grundschule mit ihren jungen Lernenden eine besondere Herausforderung darstellt.

In meinem Kurs auf Guadeloupe konnte ich leider keinen Kontakt für ein Austauschprogramm knüpfen. Vielleicht haben meine Kolleg:innen auf den anderen Erasmus Mobilitäten diesbezüglich mehr Erfolg. Ansonsten wäre eTwinning für uns die nächste Option!

Vielleicht habt ihr ja bereits Erfahrungen mit einem Austausch an Grundschulen auf europäischer Ebene gemacht? Wie habt ihr den Kontakt hergestellt? Kommentiert doch gerne am Ende des Beitrages!


Mein Fazit:

Die Erasmus-Reise war für mich persönlich und gewiss auch für meine Schule eine absolute Bereicherung. Auslandserfahrungen helfen, ein ausgeprägteres interkulturelles Bewusstsein zu erlangen, ein größeres Verständnis für Vielfalt zu entwickeln und ihr aufgeschlossener zu begegnen.

Ich bin überzeugt, dass heute interkulturelle Kompetenzen notwendiger sind denn je und der internationale Austausch für alle Teilnehmenden nachhaltige Wirkungen entfaltet.

Darüber hinaus konnte ich meine eigenen Fremdsprachenkenntnisse schulen, die ich für meine berufliche Tätigkeit benötige. Und zu guter Letzt gehe ich noch motivierter und zufriedener zur Arbeit und konnte meine eigene Persönlichkeit weiterentwickeln. Dafür bin ich sehr dankbar!

Vielleicht habe ich euch neugierig auf Erasmus+ gemacht? Dann schaut doch bald wieder hier auf dem Blog vorbei! Es folgt demnächst ein Beitrag mit Informationen zur Antragstellung.

Bis dahin, bleibt gesund und herzliche Grüße

Vanessa (@miss_thiel)


Quellen

[1] Lehrpläne für die Primarstufe in NRW (Hrsg.) Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (1. Auflage 2021): S. 179, Düsseldorf

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