Besonders in der Grundschule bin ich immer wieder an die Grenzen der Lesefähigkeit oder des Leseverständnisses meiner Schülerinnen und Schüler gestoßen. Aufgabenstellungen werden nicht verstanden, gerade in den unteren Klassen kann das Wissen aus Texten nicht selbstständig entnommen werden. Dennoch wünschte ich mir ein selbstständiges Arbeiten, um zum einen selbst mehr Zeit zu haben, um bestimmte Schülerinnen und Schüler in ihrem Lernprozess zu unterstützen und zum anderen, um Zeit für Beobachtung und Diagnostik des individuellen Lernstands der Kinder zu generieren und mich weniger um administrative Dinge („Ich verstehe die Aufgabe nicht“, „Kannst du mir das vorlesen?“ usw.) zu kümmern.
Wozu wurde der Anybook-Reader ursprünglich verwendet?
So bin ich vor einigen Jahren schon auf den Anybook-Reader gestoßen, der wohl ursprünglich (wie ich der Werbung damals entnehmen konnte) dafür gemacht worden war, dass räumlich weiter entfernt lebende Großeltern ihren Enkelinnen und Enkeln ein Buch vorlesen können. Dafür kleben sie auf jede Seite des Kinderbuchs einen kleinen weißen Punkt, diesen „besprechen“ sie anhand des Stiftes (dem Anybook-Reader) mit dem jeweiligen Text auf der Seite und kleben dann auf die nächste Seite einen Punkt, besprechen diesen mit der Geschichte usw.
Das Buch und den Stift schicken die Großeltern dann an ihre Enkelkinder. Diese können dann, indem sie mit dem Stift auf den Punkt tippen, sich das Buch von den Großeltern „vorlesen“ lassen, ohne dass diese anwesend sind. Diese Technik ließ sich nun kombiniert mit der Nutzung von Kopfhörern, um etwaige Ablenkung der Klassenkameraden zu verhindern, hervorragend in der Schule einsetzen. Im Folgenden werden verschiedene Nutzungsmöglichkeiten beschrieben.
Wie kann der Anybook-Reader im Unterricht eingesetzt werden?
Aufgabenstellungen vertonen
Besonders das Verständnis beim Lesen von Aufgabenstellungen ist für einige Kinder sehr schwer. Gerade in den ersten Klassen ist es für die Lehrkraft nicht immer einfach Texte so zu formulieren, dass die Schülerinnen und Schüler diese selbstständig erlesen können. Der Anybook-Reader kann für Ersatz sorgen: Ein kleiner Punkt wird auf die jeweilige Aufgabenstellung geklebt und von der Lehrkraft besprochen. So können die Kinder bspw. an einer Hilfestation oder individuell in ihrem eigenen kleinen Heft sich eine vertonte Hilfestellung eigenständig verschaffen.
Beispiel zur Vertonung eines Handlungsplans für die Versuchsdurchführung im Sachunterricht der Grundschule
Auch innerhalb einer Stationsarbeit kann es eine große Hilfe sein, wenn die Stationen mit vertonten Hilfestellungen ausgestattet sind. Hier ist es auch möglich die Hilfestellung in Schritten anhand eines Handlungsplanes anzuzeigen. Bspw. könnte eine Versuchsdurchführung im Sachunterricht in einzelnen Schritten erklärt werden. Nach jedem Schritt führen die Kinder die entsprechende Handlung durch.
Auch ganze Arbeitspläne, Wochenpläne oder Tagespläne können vertont werden. Hierfür ist es sinnvoll, einen vertonten Arbeitsplan an einem Platz im Klassenraum zu positionieren, auf den die Kinder zugreifen können, um sich die Arbeitsaufträge anzuhören.
Vertonung einer Aufgabenstellung aus der Einheit
„Die drei kleinen Schweinchen“
Vertonung von Wortschatzübungen
Der Anybook-Reader kann ebenfalls zur Vertonung von Wortschatz verwendet werden. Bspw. können Wortschatzplakate zu einem bestimmten Thema als Plakate im Klassenraum aufgehängt werden, die die Schülerinnen und Schüler via Anybook-Reader nutzen können. Sie können sich einzelne Wörter oder auch Sätze und Aussagen über die kleinen Klebepunkte anhören.
Dies ist besonders im DAZ-Bereich äußerst effektiv, da neben der ikonischen und symbolischen Darstellung auch die Lautebene angesprochen ist und die Schülerinnen und Schüler die Aussprache hören und damit besser lernen können. Für einzelne Kinder können ggf. auch ganze Wörterbücher vertont werden oder einzelne Wortschatzkarten individuell für bestimmte Schüler auf den Tisch oder in eine Mappe geklebt werden, die dem Kind dazu verhelfen besser kommunizieren zu können.
Vorteil ist an dieser Stelle vor allem, dass die Kinder sich die Wörter so oft abrufen können, wie sie es selbst für notwendig halten. Auch langfristig nutzbare Plakate können für die Schule gestaltet werden, z.B. mit den wichtigsten Operatoren in Arbeitsanweisungen (unterstreiche, markiere, begründe, erkläre, …) und den jeweiligen Erklärungen oder die Zahlen, die Buchstaben des Alphabets usw.
Gestaltung eines eigenen Buches
Der Anybook-Reader lässt sich auch in die andere Richtung nutzen. Schülerinnen und Schüler können sich eine eigene Geschichte ausdenken und dazu ein eigenes kleines Geschichtenbuch gestalten (wenn die Schriftsprachkennntnisse noch nicht ausreichen). Auf die einzelnen Seiten setzen sie einen Klebepunkt und besprechen diesen mit ihrer Geschichte und ihren Ideen.
Wie kann der Anybook-Reader im Deutschunterricht eingesetzt werden?
Vertonung der Anlauttabelle
Ein enormer Vorteil besonders für freie Schreibanlässe ist eine vertonte Anlauttabelle. Diese kann im Klassenraum positioniert werden. Die Schülerinnen und Schüler müssen dann nicht aus den Anlauten der Bilder den Laut des Buchstabens ableiten (dies fällt Kindern besonders schwer, die den jeweiligen Wortschatz ggf. nicht sofort ableiten können), sondern können sich die jeweiligen Laute zu den Buchstaben direkt anhören. Dies erhöht die Motivation, und vorrangig auch die Selbstständigkeit der Lernenden.
Vertonung von Silbenkärtchen
Bei der Arbeit mit Silben oder Silbenteppichen (bspw. wie im Kieler Leseaufbau) oder Silbentabellen, -häusern usw. kann eine Vertonung zur Überprüfung des eigenen Leseergebnisses von Vorteil sein. Hierfür können durch den Anybook-Reader besprochenen Klebepunkte auch direkt mit dem Silbenkärtchen einlaminiert werden. Die Funtionalität bleibt erhalten.
Vertonung von Diktatübungen
Mit dem Anybook-Reader können sich die Schülerinnen und Schüler auch selbstständig Diktate diktieren lassen. Je nach Alter und Leistungsstand der Kinder bereitet die Lehrkraft dafür Silben-, Wort- und Satzdiktate vor. Auf einem Klebepunkt sollte maximal ein Satz diktiert sein (ggf. zweimal), da es für die Schülerinnen und Schüler sonst schwer ist, den Text parallel zu schreiben. So können sie das Diktate schreiben üben und sich die Inhalte des Diktats immer wieder neu abrufen.
Ich habe dafür Diktat-Kärtchen gestaltet. Auf der einen Seite befindet sich der Klebepunkt und auf der anderen Seite die korrekt geschriebene Antwort. So konnten die Kinder die Wörter, Silben, Sätze usw. in ihr Heft schreiben und im Anschluss direkt korrigieren.
Wie kann der Anybook-Reader im Mathematikunterricht eingesetzt werden?
Kleines Einmaleins automatisieren
Zum Üben des kleinen 1×1 können auch Einmaleins-Reihen auf Karten geschrieben werden und jeweils mit dem Anybook-Reader abhörbar gestaltet werden. Die Schülerinnen und Schüler können sich die Reihen beliebig häufig auditiv abrufen und automatisieren.
Kopfrechnen
Zum Üben von Kopfrechenaufgaben ist es möglich, eine Reihe von Kopfrechenaufgaben oder Aufgaben zur Kopfgeometrie auf einen oder mehrere Klebepunkte zu sprechen, sodass die Kinder selbstständig Kopfrechenaufgaben hören und lösen können. Auch in dieser Variante könnte die Lösung auf der Rückseite vermerkt werden.
Uhr- und Tageszeiten lernen
Eine große Herausforderung in den ersten Klassen ist die Uhr- und Tageszeiten zu erlernen. Häufig können die Schülerinnen und Schüler noch nicht so gut lesen, sodass es schwierig ist die korrekte Antwort zu kontrollieren („Viertel vor vier“ oder „Es ist abends.“ usw.). Die Lösung kann somit auch über Karten vermerkt werden. Ich habe diese Aufgaben häufig über ein Memoryspiel gelöst. Eine Karte ist mit der Uhrzeit versehen (z.B. „14.15 Uhr“) und die zweite Karte mit einem Klebepunkt, der mit der jeweiligen besprochenen Uhrzeit („Viertel nach zwei“) versehen wurde.
