30. Juni 2023
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Regelmäßige kleine Pausen bringen Entspannung und frische Energie – und tragen dazu bei, dass Lehrer:innen gesund bleiben. Theoretisch ist das wohl jedem von uns klar, aber wie sieht die Praxis aus?

Der Schulalltag ist so eng getaktet, dass wir oft gar nicht spüren, dass jetzt mal eine Pause dran wäre. Und wenn wir es spüren, gibt es (mindestens) zwei Probleme:

  • Wie finde ich Zeit für Pausen?
  • Wo ist ein passender Ort dafür?
Uhr

Weil auch die Schulpausen prallgefüllt sind mit allen möglichen To dos (s. Beitrag im Mai), sehen viele Lehrkräfte gar keine andere Möglichkeit, als auf ihre Pause zu verzichten. Die Erholung wird verschoben auf „später“. Irgendwann nach der Schule, am Wochenende oder in den Ferien wird wohl Zeit sein dafür. Aber so funktioniert unser Körper nicht – er braucht alle 60–90 Minuten eine kurze Phase der Regeneration. Dieses Bedürfnis lässt sich weder aufsparen noch aufschieben.

Das habe ich selbst vor vielen Jahren erfahren: Nachdem ich 10 Jahre pausen-los durch meinen Schultag gehetzt war, landete ich im Burnout. Anschließend lernte ich alle möglichen Techniken zur Stressregulation. Aber mir war auch klar: In der Schule habe ich keine Zeit, in aller Ruhe meine Yogamatte auszurollen oder erstmal eine Weile zu meditieren. Was ich brauchte, waren Techniken, mit denen ich schnell und einfach aus der Stress-Spirale aussteigen konnte. Ich wurde zur Forscherin in eigener Sache: Wie passen Pausen in meinen Schultag?

Und so habe ich meine „Pausen-Häppchen“ entwickelt, alltagstaugliche und ruckzuck wirksame Übungen, die überall und ohne Hilfsmittel machbar sind. Inzwischen gebe ich diese Mikropausen nach dem Embodiment-Prinzip an meine Coachees weiter und vermittele sie in meinen Schul-Workshops.


Die „Pausen-Häppchen“

Das Grundprinzip der „Pausen-Häppchen“: Unsere Gedanken und Gefühle lösen automatisch körperliche Reaktionen aus. Umgekehrt hat unsere Körperhaltung einen enormen Einfluss darauf, wie wir denken und wie wir uns fühlen!

Wenn ich als Lehrerin mit einem verspannten, schmerzenden Körper durch meinen Schultag hetze, ist es kaum möglich, mit guter Laune zu unterrichten und flexibel auf all das Unvorhergesehene zu reagieren, was mir im Laufe eines Morgens passiert. Die Embodiment-Forschung zeigt, dass Körper, Gedanken und Gefühle eine Einheit bilden und sich wechselseitig beeinflussen.

Und der Körper spielt dabei die führende Rolle: Er entscheidet maßgeblich darüber, wie ich mich fühle und welche Gedanken für mich möglich sind. Für meinen Schulalltag bedeutet das zum Beispiel: Ich habe mich gerade in der 1b fürchterlich geärgert, mein Körper reagiert mit entsprechender Anspannung (Schultern hochziehen, Zähne zusammenbeißen, …). Wenn ich jetzt ohne Pause in die nächste Lerngruppe gehe, nehme ich meine Anspannung mit – und leider auch die dazu passenden Gedanken und Gefühle. („Hoffentlich haben die ihre Hausaufgaben gemacht …“, „Die beiden da hinten hören gar nicht zu!“ …) . Dann reichen manchmal schon Kleinigkeiten, damit mein Geduldsfaden reißt. Und so nehmen Stress und Anspannung immer weiter zu. Ein Teufelskreis.

Genau da setzen die „Pausen-Häppchen“ an. Der 1. Schritt besteht immer darin, das momentane Befinden bewusst wahrzunehmen: Wie geht es mir? Was „macht“ mein Körper? Anschließend kann die Körperhaltung ganz bewusst und gezielt verändert werden. Damit wird eine neue „Haltung“ zu der Situation möglich, denn der Körper sendet über die Nervenbahnen neue Signale an das Gehirn und löst so die Produktion entsprechender Botenstoffe aus.

Mit den „Pausen-Häppchen“ können wir unser Nervensystem in wenigen Minuten regulieren. Und das Beste: Sie lassen sich sogar in unseren Unterricht integrieren.


„Pausen-Häppchen“ für den Schulalltag

In diesem Beitrag teile ich die Lieblingsübungen meiner Teilnehmer:innen mit euch, praxiserprobt und direkt zum Nachmachen.

Schultern runter. Lächeln. Atmen.

  • So geht’s:
    Wie beschrieben: Verändere deine Haltung ganz bewusst. Je schwieriger eine Situation ist, desto wichtiger ist deine innere Gelassenheit.
  • So wirkt’s:
    Selbstregulation auf körperlicher und mentaler Ebene: Lockerung des Schulter- & Nackenbereichs und vermehrte Sauerstoffzufuhr. Das Lächeln aktiviert viele Muskeln in deinem Gesicht, die ein positives Körperfeedback an dein Gehirn senden: Umschalten auf Lösungsorientierung und Entspannung durch antidepressive Neurotransmitter.

Denkmütze

  • So geht’s:
    Mit Daumen und Zeigefinger die eingerollten Ränder der Ohren sanft nach hinten ziehen, so als wolle man den Rand ausfalten und glattziehen. Die Ohren von ganz oben nach unten bis zu Ohrläppchen sanft massieren. 3 x wiederholen.
  • So wirkt’s:
    Die sanfte Ohrenmassage stimuliert ca. 200 Akupressurpunkte. Dadurch wird die Atmung vertieft, das Energieniveau hebt sich. Die Denkmütze ist besonders hilfreich bei Konzentrationsproblemen und Müdigkeit. Außerdem löst sie Spannungen in den Schädelknochen.

Storch im Salat

  • So geht’s:
    Gehe auf der Stelle, ziehe dabei die Knie hoch und lass deine Arme locker mitschwingen. Berühre immer mit der gegenüberliegenden Hand das Knie. Mach das schön langsam und bewusst.
  • So wirkt’s:
    Hüfte, Knie, Rücken, Arme und Handgelenke werden gelockert, die Atmung vertieft. Die gleichzeitige Aktivierung beider Hirnhälften sorgt für Harmonisierung und eine verbesserte Links-Rechts-Koordination.

HASE-Formel

  • So geht’s:
    Kleiner Check-in: Wie ist deine Haltung, deine Atmung, deine Spannung, deine Erdung in diesem Moment? Nimm bewusst wahr.
  • So wirkt’s:
    Mit der HASE-Formel nutzt du deinen Körper als Anker. Gut ist die anschließende Frage: "Was tut mir jetzt gut?" – Lockern, bewegen, tief atmen, Füße spüren, trinken, ...

Schlendern

  • So geht’s:
    Statt über den Schulflur zu hetzen, schalte bewusst einen Gang zurück und schlendere von einem Raum zum nächsten (auch, wenn es dir vielleicht schwerfällt). Atme dabei bewusst aus: Lange und langsam.
  • So wirkt’s:
    Schlendern reguliert dein Nervensystem in Sekundenschnelle: Das langsame Gehen versetzt deinen Körper in eine Schaukelbewegung und sorgt so für Beruhigung und inneres Gleichgewicht.

Finger-Atem

  • So geht’s:
    Eine Hand locker ablegen, Finger spreizen. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand im Atemrhythmus die Finger entlangfahren. Einatmen: Zeigefinger gleitet zur Fingerspitze. Ausatmen: Zeigefinger gleitet herunter.
  • So wirkt’s:
    In der Hand sitzen Tausende von Nervenzellen, die die sanfte Berührung ans Gehirn übertragen und die Ausschüttung von Entspannungshormonen anregen. Die Übung erfordert Konzentration und stoppt das Gedankenkarussell.

„Pausen-Inseln“ – auch im Unterricht

Bleibt noch die Frage: Wo ist der passende Ort für die „Pausen-Häppchen“? Manche Übungen wie der Finger-Atem und die HASE-Formel lassen sich ganz „unauffällig“ immer und überall durchführen, z.B. auch während einer Konferenz oder im Elterngespräch. Vielleicht nutzt ihr für eure Mikropause auch lieber das stille Örtchen in der Schule – oder ihr bleibt nach der Unterrichtsstunde noch ein paar Minuten im Klassenraum, bevor ihr ins Teamzimmer geht (im Schlendergang natürlich 😉).

Und fast alle „Pausen-Häppchen“ lassen sich prima in euren Unterricht integrieren: Zum Ankommen in der Stunde, als Energizer zwischendurch oder für einen gemeinsamen Abschluss. Damit habt ihr zwei positive Effekte auf einmal: Ihr sorgt dafür, dass ihr zu eurer Pause kommt. Und ihr zeigt euren Schüler:innen effektive Möglichkeiten der Selbstregulation. Eine Basiskompetenz für Kinder und Jugendliche aller Altersstufen!

Fenster

Ausblick

Im 4. und letzten Teil dieser Beitragsreihe geht es um die Pausenfreundliche Schule.

  • Welche Bedingungen brauchen Lehrkräfte für mehr Wohlbefinden im Schulalltag?
  • Wie können sich Schulteams gemeinsam auf den Weg zu einer neuen Pausenkultur machen?
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