25. April 2023
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Über 80% der Lehrkräfte fühlen sich stark belastet durch die fehlende Möglichkeit, sich in der Schulpause zu erholen.[1] Warum finden Lehrerinnen und Lehrer keine Gelegenheit, morgens eine Pause einzulegen? Wie wirkt sich das aus: Auf das persönliche Wohlbefinden, die Freude an der Arbeit und auf den Unterricht? Ist es überhaupt möglich, sich in Schulpausen zu erholen? Und wenn ja: Wie? Um diese Fragen dreht sich die Artikel-Reihe, die heute startet. Monatlich gibt es einen Beitrag zu den folgenden Schwerpunkten:

Uhr 10:11 Uhr Pause

April 2023:

Pausen-los durch den Schultag: Warum Lehrkräfte erholsame Pausen brauchen

Mai 2023:

Warum Lehrkräfte keine Pausen machen

Praxis-Tipps:

  • Zeit finden für erholsame Schulpausen
  • Für Erinnerungen sorgen

Juni 2023:

Wie passt die Pause in den Schultag?
Stressregulation mit Embodiment-Techniken
Alltagstaugliche Ideen für erholsame Schulpausen

Juli 2023:

Die Pausenfreundliche Schule: Schulteams auf dem Weg zu einer neuen Pausenkultur


„Du brauchst Pausen, damit du die Lehrperson sein kannst, die du sein möchtest.“

Gute Bildung braucht gesunde Lehrkräfte. Wer guten Unterricht machen und Schülerinnen und Schüler bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten möchte, der muss selbst gesund sein, physisch und psychisch. Doch wie gesund sind die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land?

  • Ein guter Indikator dafür ist die Zahl der vorzeitigen Pensionierungen: Drei von vier Lehrkräften wurden 2017 vor der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt.[2]
  • Die Ursachen für dieses vorzeitige Ausscheiden aus dem Schuldienst sind vor allem psychische Erkrankungen.[3]
  • Dazu passt, dass in einer aktuellen Studie knapp 70 Prozent der Lehrkräfte angeben, durch ihren Beruf hoch bzw. sehr hoch belastet zu sein.[4]
  • Belegt ist auch, dass Lehrerinnen und Lehrer häufiger als andere Berufsgruppen unter Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafstörungen und Erschöpfung bis hin zum Burnout leiden.[5]

Die Liste der Belastungsfaktoren im Schulalltag ist lang: Angefangen bei den großen Leistungsunterschieden zwischen Schüler:innen über unzureichende personelle und materielle Ausstattung bis hin zum hohen Arbeitspensum und einer entgrenzten Arbeitszeit.[6] Und während an unseren Schulen dem „Wellbeing“ der Schüler:innen jede Menge Aufmerksamkeit zuteil wird (Glücksunterricht, Bewegte Pause, Achtsamkeit, Gesundes Schulfrühstück, …), mangelt es an Gesundheitskonzepten, die alle am Schulleben Beteiligten mit einbeziehen. Wie kann die Gesundheit und das Wohlbefinden von Lehrkräften gestärkt werden? Da gibt es zahllose Ansatzpunkte und Möglichkeiten.

Ich werde in dieser Beitragsreihe einen Aspekt aufgreifen, der vielleicht manche verblüfft: Die Schulpausen! Ich bin durch meine eigenen Erfahrungen zu einem Pausen-Fan geworden. Denn in den ersten 10 Jahren meines Lehrerinnenlebens habe ich erlebt, was passiert, wenn ich mir keine Pausen gönne: Burnout. Erst dadurch habe ich gelernt, dass kleine Routinen enorm wirksam sein können. Zum Beispiel regelmäßige Pausen. In den letzten 25 Jahren habe ich in vielen Bereichen des Schulsystems gearbeitet und dort immer wieder Kolleg:innen getroffen, die hochengagiert und pausen-los durch ihren Schultag gehen. Deshalb habe ich es mit zur Aufgabe gemacht, Lehrkräfte in ihrer Selbstfürsorge zu unterstützen und Schulen auf dem Weg zu einer neuen Pausenkultur zu begleiten.


Pausen-los im Einsatz

Ich besuche eine Grundschule im Ruhrgebiet für den Workshop „Kleine Pause – große Wirkung“. Auf dem Tisch liegen ein Kopfhörer, ein „Sendepause“-Schild, Teebeutel, Postkarten mit Bildern von Bergen und Meer, eine Klopapierrolle, ein Thermobecher, ein Kuschelkissen, eine Brotdose, das Bild mit den 3 Affen und eine Packung Oropax. Dieses Sammelsurium steht für das, was Lehrkräfte sich in ihren Schulpausen wünschen: Stille, die Gedanken auf die Reise schicken, essen und trinken, zur Toilette gehen, entspannen. Ganz normale Wünsche eigentlich. Doch die Wirklichkeit in den Schulpausen sieht anders aus, wie die Workshop-Teilnehmer:innen berichten:

Pause Schultag - Pausenutensilien für Lehrkräfte

„Ich schaffe es meistens noch nicht einmal, zur Toilette zu gehen.“
„In meiner Schule gibt es keinen Raum, in den ich mich zurückziehen kann.“
„Im Lehrerzimmer ist es total laut und wuselig. Oft platzen die Schüler:innen in der Pause herein.“

Im Unterricht ist es gut und sogar erforderlich, ein bisschen „unter Strom“ zu stehen, um blitzschnell auf die Herausforderungen reagieren zu können. Immerhin haben „Lehrerinnen und Lehrer (…) in einer Unterrichtsstunde bis zu 200 Entscheidungen zu treffen und dabei im Durchschnitt 15 “erzieherische Konfliktsituationen” zu meistern. Bei fünf Unterrichtsstunden sind das ungefähr 1000 Entscheidungen und 75 erzieherische Konflikte.[7]

Nach dem Unterricht wäre es dann wichtig, das Stresslevel zu senken – durch eine kleine Pause. Dadurch könnte sich das Nervensystem regulieren und die Anspannung nachlassen. Außerdem gäbe es dann die Chance, sich auf die nächste Stunde (und vielleicht eine andere Lerngruppe) einzustimmen. Klingt eigentlich ganz einfach und machbar. Doch genau diese kleine Pause findet in der Regel nicht statt. Woran liegt das?

Genau darum geht’s im 2. Teil dieser Beitragsreihe. Außerdem erwarten euch dann alltagstaugliche Praxis-Tipps, wie ihr

  • Zeit findet für erholsame Schulpausen
  • aktiv für Pausen-Erinnerungen sorgen könnt.
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