26. Mai 2023
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Keine Zeit für Pausen …

Wer von außen auf den Schulalltag schaut, kann das vermutlich nicht nachvollziehen: Schließlich gibt es doch jede Menge Pausen im Laufe eines Morgens. Was tun denn Lehrkräfte eigentlich in dieser Zeit?

Ich habe dazu inzwischen über 700 Kolleg:innen verschiedener Schulformen befragt. Das Ergebnis: Wenn morgens in der Schule die Pause beginnt, dann ist das vor allem eine Pause für die Schüler:innen. Für Lehrkräfte sind Schulpausen übervoll mit weiteren Aufgaben: Sie führen Aufsicht, sprechen mit Schüler:innen, kopieren Materialien oder wechseln in einen anderen Raum für die nächste Unterrichtsstunde. Auf dem Papier schaffen es manche sogar, die Stunde zu beenden und eine Minute später die nächste Stunde zu beginnen – am anderen Ende des Schulgebäudes. Da bleibt nur wenig Zeit für Entspannung oder ein nettes Gespräch mit Kolleg:innen. In meiner Umfrage zur Hitliste der Pausen-Aktivitäten landet „Entspannen“ auf dem vorletzten Platz.

Schulpausen haben so gar nichts zu tun mit Regeneration, Abschalten, Umschalten, Nichtstun. Stattdessen steigt der Stresslevel messbar: In den Schulpausen erhöht sich die Pulsfrequenz von Lehrkräften – ein klares Anzeichen für hohe psychophysische Belastung.

Logisch, dass sich das auf das persönliche Wohlbefinden, die Freude an der Arbeit und auf den Unterricht auswirkt. Was hilft? Wie könnt ihr in den Schulpausen Zeit finden, um abzuschalten, neue Energie zu tanken und zu entspannen?

Tafel Pause?!

Zeit finden für erholsame Schulpausen: Drei Tipps

  1. Trefft eine bewusste Entscheidung. Am Anfang steht die Erkenntnis: Nur wenn es uns selbst gut geht, können wir gut für andere da sein. Deshalb ist es so wichtig, dass wir gut für uns sorgen und uns selbst auch Pausen gönnen. Schließt einen Pausen-Vertrag mit euch selbst, am besten schriftlich!
  2. Plant eure Pausen. Nehmt euren Stundenplan unter die Lupe: An welchen Tagen habt ihr Zeit für Pausen, an welchen Tagen wird es eng? Legt fest, wann und wo ihr Pausen einlegen möchtet. Sorgt vorab für Essen und Trinken, für Entspannungsmusik und alles, was euch sonst noch guttut. Flexible Planung ist hier wichtig! Ihr wisst selbst, dass im trubeligen Schulalltag immer unvorhergesehene Dinge dazwischenkommen können. Wenn eure geplante Pause mal ausfällt, holt ihr sie  bei der nächsten Gelegenheit nach.
  3. Entrümpelt eure Pausen. Sorgt dafür, dass ihr in euren Pausen möglichst wenig zu tun habt. Beispiele: Erledigt das Kopieren und Heraussuchen der Materialien nach Schulschluss. Legt Telefongespräche in eine Freistunde oder richtet eine Sprechstunde für Eltern ein. Besprecht mit euren Schüler:innen, dass auch ihr die Pause braucht und deshalb nicht immer für Gespräche zur Verfügung steht.

Pause? Vergessen …

Meine Workshop-Teilnehmer:innen begleite ich meist über längere Zeiträume. Am Ende des 1. Termins gehen alle mit den besten Vorsätzen los: „Ab morgen lege ich regelmäßig Pausen ein!“ Und wenn wir uns dann ein paar Wochen später zum nächsten Workshop-Modul treffen, gestehen die meisten: „Ich vergesse, Pausen zu machen.“ „Auf einmal sind 6 Schulstunden um – und ich habe mich nicht ein einziges Mal hingesetzt.“ Viele Lehrkräfte spüren morgens gar nicht, dass sie eine Pause brauchen – sondern erst nachher: „Nach der Schule bin ich völlig erschöpft.“ „Wenn ich nach Hause komme, geht manchmal gar nichts mehr.“

Woran liegt das? Noch viel zu wenig bekannt ist in diesem Zusammenhang das Phänomen des sogenannten „Crowding“: Gemeint ist damit die permanente Flut von Sinneseindrücken aller Art und die intensive Interaktion mit anderen Menschen. Ständig werde ich etwas gefragt, muss reagieren, etwas regeln, organisieren. Diese Überstimulation des Nervensystems führt zu Dauerstress und verbraucht jede Menge Energie.

Paradoxerweise ist vielen Lehrkräften genau dieser Belastungsfaktor gar nicht bewusst. Denn um in diesem herausfordernden Umfeld zu überleben, nutzen viele eine Überlebensstrategie: Die Selbstwahrnehmung abschalten, um all die Sinnesreize nicht mehr fühlen zu müssen, um trotz und mit allem noch funktionieren zu können.

Und genau diese Überlebensstrategie führt kurzfristig dazu, dass Lehrkräfte im Schulalltag ihre eigenen Bedürfnisse nicht spüren, seien es Hunger und Durst, das Bedürfnis nach Ruhe oder dem Toilettengang. Langfristig führt diese Strategie zu chronischen Stresserkrankungen.

Die Auswirkungen auf den Unterricht liegen auf der Hand: Wenn ihr eure eigenen Bedürfnisse und Grenzen nicht wahrnehmt, ist es schwer für euch, gute Beziehungen zu anderen zu gestalten.

Was hilft? Wie könnt ihr es schaffen, nicht nur für die anderen da zu sein, sondern auch gut für euch selbst zu sorgen?

Meine Tipps:

  • Knipst regelmäßig eure Selbstwahrnehmung wieder an (im nächsten Beitrag dieser Reihe stelle ich dafür eine ganz einfache Technik vor).
  • Integriert Pausen-Inseln in euren Unterricht (auch dazu gibt’s nächstes Mal praxiserprobte Ideen).
  • Sorgt aktiv für Pausen-Erinnerungen.

Mein Lieblings-Tipp dazu: Nutzt „wenn-dann-Verknüpfungen“! Das geht so: Geht in Gedanken euren Schultag durch und findet heraus, welche Handlungsabläufe bei euch relativ häufig vorkommen. Hände waschen, Türen öffnen, über den Schulflur gehen, Materialien auf dem Pult ordnen, vor dem Kopierer warten, … Sucht euch dann eine typische Handlung aus und verknüpft sie mit einer selbstfürsorglichen Mikro-Pause: „Wenn ich mir die Hände wasche, dann lockere ich meine Schultern.“ „Wenn ich eine Tür öffne, dann nehme ich einen bewussten Atemzug.“ „Wenn ich Materialien ordne, dann trinke ich einen Schluck Wasser.“

Eurem Gehirn fällt es durch die Verknüpfung viel leichter, kleine Pausen als neue gute Gewohnheit zu integrieren!


Ausblick auf den nächsten Artikel (Juni 2023):

Eure tägliche Erholung in der Schulpause: Spezielle Techniken, die euch frische Energie, Entspannung und Klarheit schenken – und das an (fast) jedem Ort und ohne großen Zeitaufwand!

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