9. August 2023
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Verstehen statt „nur“ Ausrechnen

Heute möchte ich euch beschreiben, warum ich seit nun 23 Jahren so begeistert vom Zahlenbuch bin und dies für mich das beste Mathebuch für die Grundschule ist. Der wichtigste Punkt für mich ist, dass im Mittelpunkt von Klasse 1 bis 4 in allen Themen das „Verstehen statt nur Ausrechnen“ steht, das Begeistern für Mathematik.

Ich möchte das am Beispiel der Rechenstrategien verdeutlichen. Ab Klasse 1 geht es darum, Zahlvorstellungen aufzubauen, tragfähige Zahlbeziehungen zu verinnerlichen und darauf aufbauend unterschiedliche Rechenstrategien zu entwickeln. Mein Ziel ist es, flexibles Rechnen und Denken statt „blindes Tun“ anzubahnen. Dies gilt für alle Kinder, auch die Rechenschwachen oder anders im besonderen Maße für diese. Wie mache ich bzw. das Zahlenbuch das?

Ab der ersten Klasse sind meine wichtigsten Fragen

  • „Wie geht’s anders?“
  • „Wie hast du das gemacht?“
  • „Kannst du erklären, was du gemacht hast?“
  • „Warum machst du das so?“
  • „Kann das stimmen?“

Von und Miteinander lernen

Verschiedene Vorgehensweisen oder Ideen wie man vorgehen könnte, haben nicht alle Kinder, auch nicht alle Erwachsenen. Wir lernen Neues, wenn es uns andere erklären, zeigen, wie sie vorgehen, was sie sich gedacht haben, wir uns über das Tun unterhalten können und gemeinsam die Vor- und Nachteile zum Beispiel eines Rechenweges betrachten. Das geht nur in einem Unterricht, der das Sprechen mit den Kindern im Plenum und den sozialen Austausch der Kinder untereinander zum Beispiel in der Partnerarbeit in den Mittelpunkt stellt (aktiv-entdeckendes und soziales Lernen als ein Kernmerkmal des Zahlenbuchs).

Zahlenbuch Miteinander lernen

Illustration: Juliane Assies, Berlin

Sie lernen ganz viel von- und miteinander, indem sie zum Beispiel den Rechenweg von Tom bei der nächsten Aufgabe mal ausprobieren. Wenn ich das Verstehen und das flexible Rechnen als Ziel habe, kann nicht jeder für sich allein in „seinem Heftchen“ fremd differenziert vor sich hinarbeiten.


Im Kopf oder schriftlich? Ein Beispiel 4.Klasse

Ich mache es an einem Beispiel aus meiner jetzigen 4. Klasse deutlich:

Nachdem wir seit dem 2. Schuljahr bei der Multiplikation immer ganz verschiedene halbschriftliche Wege thematisiert und bei produktiven Übungen (z.B. wie viel Stunden hat das Jahr?) angewendet haben, habe ich vor 2 Wochen die schriftliche Multiplikation eingeführt. Jetzt könnte man denken: Jetzt sind wir endlich beim Standardverfahren, die Kinder wissen wie man Multiplikationsaufgaben schnell löst, denn sie haben ja ein universelles Verfahren. Mir war aber die Stunde „Im Kopf oder Schriftlich“ als Phase vor dem Anwenden der Multiplikation in Sachsituationen mit am wichtigsten. Es standen ganz unterschiedliche Multiplikationsaufgaben an der Tafel (siehe Foto) und die Kinder sollten in Einzelarbeit auf ihre Mini-Whiteboards notieren, welche Aufgaben rechnen sie im Kopf (unter Umständen mit Aufschreiben von Teilergebnissen) und bei welchen Aufgaben wenden sie das schriftliche Verfahren an.

Tafelbild Rechenweg (im Kopf oder schriftlich)

Tafelbild Rechenweg (im Kopf oder schriftlich); Foto: Claudia Anduleit


Dies wurde im Anschluss vorgestellt und begründet. Dabei stellte sich mein rechenschwaches Kind mit Förderplan Mathematik vor die Tafel und sagte:

„Die Aufgabe 4*0,98€ rechne ich im Kopf, weil ich einfach 4€ nehme und 4*2 Cent also 8 Cent abziehe, das sind 3,92€.“

Auf Nachfrage, ob man dies nicht doch lieber schriftlich mache, protestierte die ganze Klasse und auf den Miniwhiteboards konnte man schnell sehen, dass kein einziger diese Aufgabe schriftlich gelöst hatte.
Mein bester Rechner J. meinte, die Aufgabe 24*83,10€ würde er im Kopf lösen, weil man das super durch zerlegen in Teilaufgaben schaffen würde, nämlich 83,10€ verdoppeln wäre 166,20€ das mal 10 wäre 1662€. Jetzt müsste er das erste Verdoppelte 166,20€ nur nochmal verdoppeln, weil er es ja 4* bräuchte also 332,40€ und nun zusammenzählen 332,40€ + 1662€ = 1994,40€.

Tafelbild Rechenweg (im Kopf oder schriftlich)

Tafelbild Rechenweg (im Kopf); Foto: Claudia Anduleit


Nachdem ich die Kinder fragte, wer die Aufgabe nun so rechnen würde wie J. waren 16 von 18 der Meinung, es ging schriftlich schneller und bei den vielen Teilschritten könnte man sich schnell verrechnen. Ich erzähle das nicht, damit ihr denkt, alle sollen den Weg von J. verstehen oder können (Natürliche Differenzierung ein weiteres sehr wichtiges Kernmerkmal des Zahlenbuchs: Manche hatten 3-4 Aufgaben in der Tabelle zu „im Kopf“ und alle anderen bei „schriftlich", 2 hatten alle bei „im Kopf“. Einige hatten am Ende der Einzelarbeit 4 Aufgaben gerechnet, andere alle 8 Aufgaben mit Ergebnis).
Sie sollen aber sehen, dass es andere Vorgehensweisen gibt und denkend vorgehen statt „blind tun“.

Tafelbild Rechenweg (im Kopf oder schriftlich)

Tafelbild Rechenweg (im Kopf); Foto: Claudia Anduleit


Mathe ist anstrengend

Anderen sein Vorgehen zu beschreiben und zu erklären setzt voraus, dass ich mir darüber bewusst werde. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt beim Lernen. Das ist aber nur möglich, wenn die Kinder es ab der 1. Klasse gewohnt sind, dies ihren Umgang mit Mathematik prägt. Man könnte meinen, dann ist doch Mathematik das Lieblingsfach der ganzen Klasse. Mitnichten, Standardantwort: „Mathe ist echt anstrengend, da muss man andauernd denken, „das Gehirn einschalten“ statt einfach nur zu machen.“

Igel spielen Karten

In diesem Sinne wünsche ich euch und den Kindern eurer Klassen viel Freude und Durchhaltevermögen.

Claudia Anduleit



Über die Autorin

Berufliche Tätigkeit: Grundschullehrerin und Fortbildnerin Mathematik

Was mir privat Spaß macht: Ich habe 3 Kinder, verreise gern oder lese in unserem Garten.

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