8. April 2020
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Auch in Estland sind momentan alle Schulen wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Obwohl diese Situation auch für die Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler dort eine noch nie dagewesene Herausforderung darstellt, scheinen die Esten aufgrund ihres selbstverständlichen Umgangs mit der Digitalisierung gut auf E-Learning vorbereitet zu sein. Aber hilft das tatsächlich in einer Situation, in der die Schülerinnen und Schüler nun selbstständig von zu Hause aus lernen müssen?


Die Ausgangslage

Seit dem 16. März findet der Unterricht in Estland ausschließlich auf digitalem Wege statt. Jede Schule verfolgt dabei den Ansatz, der am besten zu ihrer spezifischen Situation passt.

Durch den selbstverständlichen Umgang mit der Digitalisierung im Bildungsbereich scheint mir – bei allen neuen Herausforderungen und Schwierigkeiten – eine gute Basis gelegt, um mit dieser Situation umzugehen. Bereits seit Jahren unterstützt HITSA (Stiftung „Informationstechnologie in der Bildung“ von Regierung, Universitäten und IT-Unternehmen) Lehrkräfte dabei, mit digitalen Anwendungen zu unterrichten. Viele Schulen nutzen im Alltag bereits digitale Lernumgebungen, Anwendungen und Tools im Unterricht. In der aktuellen Ausnahmesituation zeigt sich nun jedoch im Praxistext, ob das estnische Bildungssystem tatsächlich gut dafür gewappnet ist, den Unterricht komplett auf E-Learning umzustellen.

Die Vorsitzende von HITSA, Heli Aru-Chabilan, bringt es auf den Punkt:

„Die jetzige Krise ist ein wichtiger Lackmus-Test für das Bildungssystem in Estland. Sie zeigt, wie und in welche Richtung sich unsere E-Learning-Systeme entwickeln müssen, sodass sie so praxistauglich wie möglich für Lehrkräfte, Schüler und Eltern sind.“

Was in jedem Fall auch gute Rahmenbedingungen für die jetzige Situation bietet, ist, dass 99 % der Haushalte in Estland einen Breitbandband-Internetzugang haben.


Der Start ins Lernen von zu Hause

Um einen möglichst guten Einstieg in das Lernen von zu Hause zu bieten, wurden Webinare von Bildungstechnologen gegeben, in denen sie Lehrkräfte und Eltern darin geschult haben, wie sie die Kinder beim Lernen von zu Hause aus unterstützen können. In der ersten Woche wurden die Webinare insgesamt 50.000 mal angesehen, eine rekordverdächtige Zahl in einem Land mit einer Bevölkerung von 1,329 Millionen.

Weitere Webinare und Materialien, die Lehrkräfte unterstützen sollen, werden nun sukzessive bereitgestellt. Verschiedene Lernumgebungen und Tools werden vorgestellt und Lehrkräfte teilen ihre Erfahrungen mit dem Unterrichten in diesen besonderen Zeiten z. B. in fachspezifischen Facebook-Gruppen. Die Nutzerzahlen von E-Learning-Plattformen haben sich in kürzester Zeit verzehnfacht.

Ein besonderer Service von dem auch deutsche Lehrkräfte profitieren können. Estnische Start-ups im Bereich digitale Lernanwendungen bieten ihre E-Learning-Lösungen in dieser besonderen Situation nun auch Lehrkräften in anderen europäischen Ländern kostenlos an, um auch andere Staaten beim Unterrichten in der Corona-Krise zu unterstützen: https://education-nation.99math.com

Eine Bilanz, wie die komplette Umstellung auf E-Learning in Estland geglückt ist, wird man natürlich erst in einiger Zeit ziehen können. Mit Sicherheit hilfreich in dieser Situation ist jedoch, dass sich in den letzten Jahren Plattformen mit digitalen Schul- und Arbeitsbüchern etabliert haben, die mit ihren interaktiven Anwendungen auch explizit auf das eigene Üben und Lernen der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sind.

Doch das schauen wir uns genauer im einem der nächsten Beiträge an, in dem uns die Lehrerin Anneli Dietrich berichtet, wie sie im Alltag mit digitalen Schulbüchern unterrichtet.


Quellen

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