1. Juli 2020
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Augmented-Reality im Unterricht? Obwohl es natürlich auch in Deutschland bereits erste Projekte gibt, klingt das für mich noch sehr nach Zukunftsmusik. An der Sydalinna-Schule in Tallinn beschäftigt man sich nicht nur ab und zu mit dem Thema, sondern es gibt sogar ein ganzes Augmented-Reality-Studio, in dem VR-Geräte und -Anwendungen zum Einsatz kommen. Und noch mehr findet hier statt.


Fremde Welten und Landschaften erkunden

Vom Amazonas-Regenwald über ferne Planeten bis hin zu Dinosauriern: Im Augmented-Reality-Studio der Sydalinna-Schule haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Planeten, Landschaften und Lebewesen auf eine besonders intensive, packende Art und Weise kennenzulernen. Doch wie muss man sich das ganz praktisch im Unterricht vorstellen? Laufen die Schülerinnen und Schüler 45 Minuten mit Virtual Reality-Brillen durch die Gegend und der Unterrichtsstoff lernt sich dabei quasi von selbst? Bildungstechnologin Anneli Kesksaar holt mich zurück auf den Boden der Realität, indem sie darauf hinweist, dass die durchschnittliche Länge der eingesetzten VR-Filme nur 2 bis 3 Minuten beträgt.

Die VR-Erfahrung ist also nur ein kurzer, aber offenbar sehr inspirierender Bestandteil der Stunde, der motiviert und in die Vermittlung des Unterrichtsstoffs eingebettet wird. Ausgehend vom Ausflug in die virtuelle Welt wollen die Schülerinnen und Schüler sich über das Gesehene austauschen und mehr über dessen Kontext erfahren. Trotz der kurzen Dauer und des dafür vermeintlich großen technischen Aufwands unterstreicht Kesksaar, dass diese Erfahrungen,

„unbedingt gemacht werden sollten“ da „es sehr interessant für die Schülerinnen und Schüler“ sei.

Und auch für die Lehrkräfte selbst sei es sehr motivierend, die Schülerinnen und Schüler so interessiert und begeistert bei der Sache zu sehen.

Und noch etwas lerne ich: VR-Anwendungen müssen nicht nur fachlich gut in den Unterricht eingebettet werden, sondern es gibt auch gesundheitliche Aspekte zu beachten. Projektleiterin Kerttu Mölder dazu:

„Es gibt nicht viel Forschung darüber, wie sich die virtuelle Realität auf die menschliche Psyche auswirkt.“

An der Sydalinna-Schule werden VR-Brillen erst ab der vierten Klasse eingesetzt, nachdem zuvor die Eltern informiert wurden und eine entsprechende Einverständniserklärung unterzeichnet haben.


Wie kam das Studio zustande?

Im Jahr 2018 wurde das Augmented-Reality-Studio mit Unterstützung des sogenannten EduInnoLab-Projekts der Stadt Tallinn in der Schule eingerichtet. Im Rahmen des Projekts wurden an verschiedenen Schulen Tallinns Kompetenzzentren eingerichtet, um zukunftsweisendes Lernen im Schulalltag zu erforschen und die Erfahrungen zu teilen. Um die Möglichkeiten, die das Studio bietet, auszuschöpfen, entschloss sich die Schule, außerdem an einem Pilotprogramm für Bildungsinnovationen teilzunehmen. An diesem Programm wirken neben Schulen und Kitas, die bereit sind, neue Anwendungen auszuprobieren, auch Unternehmen mit, welche die entsprechenden Tools oder Anwendungen anbieten.

Das Feedback aus der Praxis hilft andern Schulen dabei, die pädagogisch sinnvollsten und  praktikabelsten Anwendungen zu finden bzw. den Herstellern, diese zu entwickeln. Die Sydalinna-Schule hat im Zuge des Programms die Plattform ClassVR getestet, eine Virtual- und Augmented-Reality-Komplettlösung für Schulen mit VR-Brillen und einer umfassenden Auswahl von Bild- und Videomaterial, aus der Lehrkräfte eigene Sammlungen für ihre Unterrichtszwecke erstellen können. Was die Kinder während der VR-Erfahrung sehen und was nicht, kann die Lehrkraft zentral steuern. Kerttu Mölder unterstreicht, dass ClassVR noch nicht in Estland verfügbar war und darüber hinaus in der Anschaffung für ihre Schule auch zu teuer gewesen wäre. So ermöglichte das Pilotprojekt ihrer Schule, wertvolle Erfahrungen mit VR zu sammeln.


Im Zuge des Ausprobierens und Testens haben die Lehrkräfte der Sydalina-Schule viel mit VR im Unterricht experimentiert und eigene Unterrichtsmethoden entwickelt. Diese Methoden und Herangehensweisen geben sie nun in Form von Schulungen an Lehrkräfte anderer Schulen weiter. Die gesammelten Erfahrungen bieten auch eine gute Grundlage, andere Lösungen auszuprobieren. Kerttu Mölder dazu:

„Zusätzlich zu ClassVR können wir einfachere, billigere VR-Geräte testen. Jeder hat seine Vor- und Nachteile“

Letztendlich müsse jede Schule auf Basis der Testerfahrungen die für sich am besten geeignetste auswählen.

Klingt in meinen Ohren sehr spannend und ich finde es toll, dass durch die besonderen Förderprogramme wichtige Erfahrungen mit VR gesammelt werden können, von denen im Endeffekt dann Schulen landesweit profitieren. In meinem letzten Beitrag dieser Serie wenden wir uns zum Abschluss einem so simplen wie wirkungsvollen Projekt zu, dass ohne großen Aufwand auch an vielen Schulen Deutschlands stattfinden könnte: Schülerinnen und Schüler als IT-Coaches.


Quellen

https://opleht.ee/2019/05/uus-reaalsus-mida-opilased-naudivad/

https://www.tallinn.ee/est/Uudis-Innovatsiooniprojekti-EduInnoLab-tutvustus

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