17. August 2019
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Weiter geht’s in Sachen Digitalisierung an niederländischen Schulen. Heute mit einer Schule, die das Staunen sogar im Namen trägt – die Basisschool „De Verwondering“ in Nimwegen. Der Name ist angelehnt an das Platon-Zitat „Das Staunen ist der Anfang aller Erkenntnis“.

Den eigenen Lernprozess mitbestimmen

In der im August 2013 geöffneten Schule lernen die Kinder in einer „hybriden Umgebung“ – sowohl mit verschiedenen digitalen Medien, aber auch auf Papier. Zentraler Gedanke des innovativen Schulkonzepts: Kinder sollen ihren eigenen Lernprozess mitbestimmen können und so lernen, wie es zu ihrer Persönlichkeit passt. Auf diese Weise sollen sie auf lebenslanges Lernen vorbereitet werden.

Digitale Medien sind dabei ein Mittel, doch ein weniger wichtiges als ursprünglich angenommen, wie Elo Andringa, einer der Köpfe hinter dem Schulkonzept, unterstreicht:

„Wir realisierten, dass digitale Medien eine weniger prominente Rolle an unserer Schule spielen würden, als ursprünglich erwartet. Es wurde nämlich schnell deutlich, dass man keinen innovativen Unterricht dadurch bekommt, dass man möglichst viele Computer und Tablets anschafft. Digitale Medien müssen das Lernen unterstützen, einen Mehrwert bieten.“

Im Zentrum des Konzepts steht erfahrungsbasiertes Lernen. Der Unterricht, der in drei klassenübergreifenden Gruppen stattfindet (Gruppe 1: 4-6 Jahre, Gruppe 2: 7-8 Jahre, Gruppe 3: 9-12 Jahre), ist thematisch organsiert. Die Kinder lernen jeweils zu einem Thema und dabei kommen alle Fächer zum Einsatz – von Rechnen bis Lesen. Zudem können die Kinder selbst formulieren, was sie rund um das Thema gerne lernen möchten. Viele verschiedene Unternehmungen bieten Raum und praktische Anwendungsmöglichkeiten – vom schuleigenen Garten, über eine Kreativwerkstatt bis hin zu Schul-TV. Seitens der Lehrkräfte ist viel Zusammenarbeit gefragt, sowohl bei der gemeinsamen Betreuung der Kinder als auch der fächerübergreifenden Behandlung der Themen.

An digitalen Medien stehen den Kindern der Gruppen 2 und 3 Laptops, Tablets und Computer zur Verfügung, in der Gruppe 1 teilen sich jeweils mehrere Kinder ein Tablet. Alle Kinder ab dem dritten Lernjahr leihen ein iPad von der Schule, das sie auch mit nach Hause nehmen.


Kernstück: Das digitale Portfolio

Eine wichtige Rolle bei der Umsetzung des Unterrichtskonzepts spielt das digitale Portfolio, in dem die Lehrkräfte gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Lernziele festhalten, dokumentieren, woran sie gerade arbeiten und was sie dabei lernen. Arbeiten auf Papier werden per Foto ins digitale Portfolio integriert. Durch das Portfolio bekommen die Schülerinnen und Schüler ein gutes Bild von ihrer eigenen Entwicklung – und die Lehrkräfte natürlich auch.

Schulleiter Jan Willem Helmink fasst es so zusammen: „Das Portfolio trägt dadurch zum Lernprozess bei, dass die Schülerinnen und Schüler selbst dokumentieren, was sie gelernt haben.“

Kinder tablet

Foto: Elisabeth Krebs


Um sicherzustellen, dass das digitale Portfolio den Fortschritt und Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler tatsächlich gut abbildet, hat sich die Schule aus Nimwegen zusammen mit Schulen aus Amsterdam und aus Chaam intensiv mit den eigenen Unterrichtskonzepten und den daraus resultierenden Anforderungen an das digitale Portfolio auseinandergesetzt. Dazu wurden zunächst die Lernzyklen an den Schulen visualisiert, um herauszufinden, welche konkreten Anforderungen an das digitale Portfolio bestehen. Indem man den Lernzyklus ins Bild bringe, schaffe man Bewusstsein und entdecke

„wo noch Ergänzungen und Anpassungen für das digitale Portfolio nötig sind“, so Helmink.

Diese Herangehensweise – nicht von den Produkten, die der Markt bietet aus zu denken, sondern die eigenen Anforderungen als Ausgangspunkt zu nehmen –  brachte viele wichtige Erkenntnisse. Direktor Jan Willem Helmink dazu:

„Diesen Schritt überspringen wir noch zu häufig im Bildungsbereich. Wir schauen uns bestehende Produkte an, statt uns zuerst genau bewusst zu machen, was das Produkt können muss.“

Seine Erkenntnis aus dem Prozess fasst Helmink wie folgt zusammen:

„Wir dachten, dass Schülerinnen und Schüler an unserer Schule ihren Lernprozess schon weitestgehend selbst bestimmen, aber durch die Karte haben wir gesehen, dass das im bisherigen Lernzyklus von acht Wochen nicht so ist. Darum haben wir den Lernprozess in kürzere Zyklen unterteilt, in denen die Schülerinnen und Schüler mehr Freiheiten haben.“ Im Ergebnis hätten die neuen Erkenntnisse den Schülerinnen und Schülern „mehr Möglichkeiten der Selbsteinschätzung und zum Nachweis ihrer Leistung über das digitale Portfolio gegeben. Das hat sie noch stärker zu Eigentümern ihres eigenen Lernprozesses gemacht“.

Mir ist durch dieses Beispiel erst richtig bewusst geworden, welche Rolle digitale Medien bei der Dokumentation des eigenen Lernfortschritts spielen können und welche positiven Effekte das haben kann. Apropos Fortschritt – dass wichtige Erneuerungen selten mit einem großen Paukenschlag daherkommen, sondern wie viel mit kleinen Schritten erreicht werden kann, zeigen die beiden Schulen im folgenden Beitrag unserer Serie.


Quellen

de Visser, Rick:  Een digitaal portfolio? Breng het leerproces in beeld via een routekaart, www.kennisnet.nl/artikel/een-digitaal-portfolio-breng-het-leerproces-in-beeld-via-een-routekaart

de Visser, Rick: Digitaal portfolio: drie scholen over hun bijzondere zoektocht en samenwerking, www.kennisnet.nl/artikel/digitaal-portfolio-drie-scholen-over-hun-bijzondere-zoektocht-en-samenwerking

“Digitaal portfolio als leerlingvolgsysteem”, https://kennisnet.nl

Schouwenburg, Frans: Scholen om van te leren, Kennisnet 2015, abrufbar unter: www.kennisnet.nl/artikel/scholen-om-van-te-leren

www.verwondering.info (Schulwebsite mit Schulguide etc.)

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