26. August 2016
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… und ihr werdet alles über den Menschen erfahren.

Kinder lieben Tiere. Die in Fabeln auftretenden Tiere sind meistens niedlich – Hase, Lamm – anmutig oder grimmig, listig und verschlagen wie Fuchs und Wolf. Oder gar königlich erhaben wie Löwe und Tiger. All diese Tiere treten in Fabeln auf (die Nacktschnecke, die haarige Spinne, die Kopflaus und auch der Floh eher nicht … Freunde aller daseinsberechtigten Tiere, verzeiht mir diese plakative Aufzählung. Als Ausgleich dafür gibt es am Ende des Artikels vier kostenlose Arbeitsblätter).

Mit Fabeln für die Grundschule haben wir eine praktische und schöne Fabelsammlung innerhalb unserer Reihe Lesen in der Grundschule herausgebracht. Anne Braun und Isolde Stangner haben sie akribisch gesammelt. Jusche Fret hat sie anmutig illustriert. Zum Fabelband gibt es auch eine Arbeitsblattsammlung: Fabeln für die Grundschule Kopiervorlagen.


 

In Fabeln sprechen Tiere, die den großen wie den kleinen Zweibeinern in irgendeiner Form gefallen. Die Tiere in Fabeln verkörpern menschliche Eigenschaften. Sie sind schlau oder dumm, ängstlich oder mutig, herrscherisch oder demütig … Sie reden und handeln wie Menschen.

 

Viele der Tiere in Fabeln kennen die Kinder zumindest aus dem Zoo, aus Tierfilmen, aus Zeitschriften wie GEOmini und Co. Bekannte Fabeln kennen sie manchmal bereits durch vorleselustige Eltern oder Kindergartenerzieherinnen und -erzieher.

Ich erinnere mich selbst an ein kleines Pixi-Buch zum Raben und zum Fuchs (nach Aesop), in dem meine Töchter gerne mit mir zusammen blätterten und das ich ihnen vorlas. Das Buch war das Lieblingsbuch meiner damals kleinen fünfjährigen Tochter. Sie konnte schon als Kindergartenkind über die Dummheit des Raben lachen, der seinen Käse eingebüßt hatte, nur weil er meinte, er müsse dem Fuchs zeigen, dass er trällern kann wie die Nachtigall. Haha, der Rabe und Singen. Jaja. Kinder haben bereits im Grundschulalter große Gedanken und viele Fragen. In einer Fabel sind die zentralen Fragen zum zwischenmenschlichen Umgang und damit verbundenen Problemen verdichtet und einfach auf die Tiere übertragen dargestellt. Die Kinder durchdringen Fabeln sehr wohl. Sie begreifen sie schneller als aus unserer Erwachsenen-Perspektive vermutet. Übertragen auf die Tierwelt können die Kinder die Inhalte besser nachvollziehen.


 

Teilweise sind die Fabeln im Inhalt mindestens so bedrohlich wie Märchen. Dass ein Löwe, der nicht mehr jagen kann, weil er alt geworden ist, seine Opfer in die Höhle lockt und sie verspeist (Die Höhle des Löwen, Fabeln für die Grundschule, S.82), kann einem Kind und einem Erwachsenen Angst einjagen. Da aber die Tiere als Akteure fungieren, verliert die Erzählung ihre unmittelbare menschliche Bedrohlichkeit. Der Bösewicht ist ein Löwe und kein Mensch. Doch kann man als Erziehender behutsam die Parallele zur Wirklichkeit ziehen und die Kinder in ihrem „Bauchgefühl“ stärken, zu wissen wann es wichtig ist „Nein danke“ zu sagen und schnell die Beine in die Hand zu nehmen.

Als Mutter wünsche ich mir, dass ich meine Kinder vor bestimmten Erfahrungen bewahren vermag. Ich kann auf jeden Fall präventiv arbeiten und meine Kinder sensibilisieren. So kann ich sie hoffentlich vor Übergriffen schützen; aber auch im zwischenmenschlichen Bereich kann ich über Erzählungen wie „Die Grille und die Ameise“ von Jean de la Fontaine (Fabeln für die Grundschule, S. 6) und „Die Ameise und die Grille“ von Hans Sachs (Fabeln für die Grundschule, S.7) vergleichen lassen und menschliche Eigenschaften mit ihnen herausarbeiten.


 

Oder auch mit  „Die Grille und der Maulwurf“ von Janosch (Fabeln für die Grundschule, S. 112). Janosch zeigt in seiner Fabel, dass es Menschen geben muss, die ideellen Wert schaffen (Musiker, Maler wie die Grille halt) und dass es diese Menschen zu unterstützen gilt (vom Maulwurf in dem Fall), weil diese Menschen auch ihren Beitrag leisten, indem sie uns mit ihrer Kunst beschenken und beglücken. Diese Diskussion kann man dann auch schon mit Grundschülern führen. So z. B. meine beiden Mädchen 8 und 10 Jahre alt: „Die Ameisen sind ja total gemein. Die lassen die arme Grille verhungern!“ „Der Maulwurf ist aber lieb.“ „Maulwurf und Grille machen sich einen schönen Winter. Und das mit Grillenmusik.“ Die Kinder haben ihre eigene Sicht, die Dinge zu betrachten und beziehen eine klare Stellung.

So bieten viele Fabeln schöne Diskussionsgrundlagen zu Hause, in der Schule, im Deutschunterricht oder im Ethik- und Religionsunterricht und das ohne erhobenem Zeigefinder, mit einer beobachtenden und konstatierenden Moral so z. B. „Ebenso richten auch die, die ihren Partner Fallen stellen, oft unversehens sich selbst zugrunde.“ Die Lehren in Fabeln regen zum Nachdenken an, weil sie nicht moralisieren. So bietet Fabeln für die Grundschule viele Möglichkeiten, über den Menschen, seine Eigenschaften und seine Grenzen auch in der Grundschule zu debattieren.

Außerdem gibt es in Fabeln für die Grundschule auch eine runde Fabel-Werkstatt mit vielen Anregungen zum Arbeiten mit der Fabel, theoretisch wie praktisch. Ein Beispiel zum Thema: „Wie kannst du eine Fabel erkennen?“ können Sie unterhalb des Artikels downloaden.

Zu guter Letzt erläutert ein Kleines Fabel-Lexikon besondere Begriffe und stellt bekannte Fabeldichter vor.

 

Vielleicht entsteht aus dem Umgang mit Fabeln in der Grundschule etwas Eigenes, eine Bildergeschichte, ein Gedicht, eine eigene Fabel, ein kleiner Fabel-Band der Klasse oder ein Theaterstück? Lassen Sie uns daran teilhaben, das wäre fabelhaft!

Herzlichst

Ulrike Gergaut

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