24. Mai 2023
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Die Lektüre „Räuber Hotzenplotz“ der Reihe „Kleine Lesehelden“ aus den Häusern Klett-Verlag und Esslinger-Thienemann-Verlag nutze ich als Klassensatz und mit dem passenden Unterrichtsbegleitmaterial. Durch eine fixe Idee entwickelte sich daraus jedoch ein umfassendes Literaturprojekt und eine Reise in die wunderbare Welt von Seppel, Kasperl & Co. Und genau auf diese Reise möchte ich euch heute gerne mitnehmen? Seid ihr bereit?


Bevor es losgeht: Erst einmal die nackten Fakten

Die Klassenlektüre „Räuber Hotzenplotz“ ist in vereinfachter Sprache geschrieben. Inhaltlich tut dies dem Ganzen keinen Abbruch. Alles drin, was im ersten Band der Lektüreserie von Otfried Preußler drin sein soll. Die Schrift ein bisschen größer und schnörkellos, ein paar mehr schöne Bilder, dazu Rätsel und klare Kapitelgliederungen. Der Einstieg barrierefrei gestaltet, aber: Nach oben keine Grenzen gesetzt. Quasi „low entrance – high ceiling“
Dieses Prinzip spiegelt sich auch beim dazugehörigen Begleitmaterial wieder. Zu jedem Kapitel finden sich verschiedene Arbeitsmaterialien und Ideen, die eine Binnendifferenzierung unterstützen bzw. sich auf die jeweilige Klassenstufe anpassen lässt. Apropos Klassenstufe: Das Buch ist ab Klasse 2 geeignet, für 3. Klasse fand ich es perfekt, aber auch die 4. Klasse hatte große Freude am Buch.

Räuber Hotzenplotz und Kopiervorlagen

Der Räuber Hotzenplotz: Lektüre und Begleitmaterial von Thorsten Saleina, nach Motiven von FJ. Tripp; Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart


Differenzieren leicht gemacht – Für Lehrer*in und für die Kinder

Gelesen habe ich die Lektüre in meiner Kombiklasse 3/4. In Kombiklassen gehört Differenzierung zur Tagseordnung. Zugegebenermaßen bin ich deshalb darin sehr routiniert: Es fällt mir leicht. Dies hat folgende Gründe:

  1. Differenzierungen halte ich möglichst unauffällig
  2. Ich versuche weitestgehend natürlich zu differenzieren
  3. Materialschlachten versuche ich – so weit wie möglich – zu vermeiden

Die unauffällige Differenzierung:

Kennt ihr das? Arbeitsblätter sind mit verschiedenen Symbolen gekennzeichnet, die den Grad der Anforderung anzeigen. Ein Stern, zwei Sterne, drei Sterne. Alles schön und gut. Allerdings habe ich immer das Gefühl, dass Kinder damit ebenfalls gekennzeichnet werden. „Du packst einen Stern, der andere packt schon zwei Sterne, …“ Deswegen versuche ich dies zu vermeiden.
Meine Alternative: Wer mir und meinen Berichten länger folgt, kennt meinen wöchentlich fest etablierten Wochenplan als Classroommanager, in dem ich die Aufgaben für Deutsch, Mathe und Sachunterricht jeder Kalenderwochen für mich und die Kinder festhalte. Kommen differenzierte, also unterschiedliche, Arbeitsblätter zum Einsatz, gebe ich diesen die gleiche Überschrift (teilweise auch einfach nur „AB 1, AB 2, …“ und packe jedem Kind ein individuelles Wochenplan-Paket. Jedes Kind hat ein AB 1. Jedes Kind mitunter ein unterschiedliches AB 1. Dies funktioniert natürlich auch ohne Wochenplan. Klar: In Kombiklassen ist dies für die Kinder selbstverständlich. Das Prinzip lässt sich aber auch in Regelklassen etablieren, wenn man den Kindern erklärt: „Es geht um die Steigerung deiner persönlichen Fitness, nicht um den Klassenvergleich!“

Die natürliche Differenzierung:

Wir starten gemeinsam mit einer Themenerarbeitung – hier eben der Start mit der Lektüre „Räuber Hotzenplotz“. Dadurch schaffen wir uns eine gemeinsame Basis. Durch den Einsatz kompetenzorientierter Aufgaben mit viel Spielraum für Kreativitäsausbrüche, können die Kinder auf dieser Basis gemäß ihrer Begabungen und Talente aufbauen. In der Umsetzung sieht das so aus: Weil meine Schulklasse die Arbeit in Entdeckerräumen liebt und einfordert, dachte ich mir: „Was für den Sachunterricht funktioniert, sollte doch auch in Deutsch mit einer Lektüre klappen“ und ging kurzerhand in Produktion. Heraus kamen über 100 universelle Auftragskarten aus den Bereichen Sprache, Mathematik, Sachunterricht, Musik, Sport und Kunst, die sich beim Lesen sämtliche Lektüren verwenden lassen. Egal ob Klassen- oder Individuallektüre, egal ob Klasse 2, 3, 4 oder 5 – es ist für jeden etwas dabei und die Aufträge passen durch die Kompetenzorientierung auf sämtliche Themen in einem Buch. Klingt jetzt schon mal theoretisch ganz gut, aber durch ein konkretes Beispiel wird es deutlicher: Literaturentdeckeraufgaben im Video.

Die Auftragskarten sind beim Matobe-Verlag erschienen und hier kann man sich auch Probeseiten anschauen: Literatur-Entdeckeraufgaben.

Die Kinder suchen sich intuitiv Aufgaben heraus, die sie bewältigen können. Bei der Bearbeitung sind sie regelmäßig in der Situation, sich aus ihrer Komfortzone herauszubewegen und neue Meilensteine zu erklimmen. Das kommt so: Ein wichtiges Prinzip bei der Arbeit in Entdeckerräumen, die auf der Atelierarbeit nach Baumann und Talgeh fundiert, ist das Weitergeben an Wissen. Die Kinder präsentieren ihre Arbeitsergebnisse im Plenum und erklären stolz, wie sie die jeweiligen Aufgaben erledigt haben. Andere Kinder sind begeistert, wollten dies nachmachen und lernen so neue Fähigkeiten kennen. Ein positives Schneeballsystem und quasi die Umkehrung der Abwärtsspirale.


Vermeidung von Materialschlacht

Seit mehreren Jahren reduziere ich Kopien. Jedes Jahr ein bisschen mehr. Die Arbeit mit den Entdeckerkarten ist dabei eine wichtige Unterstützung. Durch die natürliche Differenzierung benötige ich nur einen Kartensatz, den ich beim Lesen aller möglichen Klassenlektüren immer wieder nutzen kann.

Deshalb habe ich die Karten auf festeren Karton gedruckt, die Ecken schön abgerundet und sogar auf das Laminieren verzichtet. Da aber eine Gruppe gerne ein eigenes Lapbook zum Räuber Hotzenplotz anfertigen wollte, haben die Kinder mir verschiedene Druckaufträge erteilt, z. B. Deckblatt, Bilder aus dem Buch, die Ausmalbilder aus den Kopiervorlagen und Blankokarten. Während der Arbeit in Entdeckerräumen bin ich immer Assistentin und unterstütze durch Drucken, Materialsuchen, Korrekturlesen, etc.

Wirkung auf die Lesemotivation

Mal abgesehen davon, dass das Buch „Räuber Hotzenplatz“ für kleine Lesehelden an sich motivierend aufgebaut ist und sich dies bereits erheblich auf die Lesemotivation auswirkt, beflügelt ein freier offener Zugang zur Lektüre ungemein.
Leseschwache Kinder bekommen durch die Setzung der Seiten (große Schrift, unterstützende Bilder, klare Kapitelabgrenzungen) einen einfacheren Zugang zur Lektüre. Durch die natürlich differenzierten Auftragskarten können sie ebenfalls leicht einsteigen, nach oben sind jedoch keine Grenzen gesetzt, ein über den Tellerrandhinausschauen ist erlaubt, erwünscht und wird gefördert. Das bereits erwähnte Prinzip „low entrance, high ceiling“ als stetiges und wachsendes Prinzip. Die offene Lernatmosphäre sorgt dafür, dass sich leseschwache Kinder weniger unter Druck gesetzt fühlen und lesestarke Kinder werden nicht gebremst. Jeder so, wie er kann und möchte. Und mal Hand aufs Herz: Kein Kind bleibt freiwillig unter seinen Leistungen. Die Sorge, dass die Kinder nicht genug arbeiten, wenn sie ihre Aufgaben selbst suchen, ist daher völlig unbegründet und habe ich in den 12 Jahren Lernen und Lehren mit dieser Methode noch nie erlebt.


Wer es genauer wissen möchte …

Es ist unglaublich schwer, die Arbeit in Entdeckerräumen in einem Artikel zu beschreiben – zumal es hier ja rein um die Lektürearbeit geht. Doch findet ihr auf meinem Blog zahlreiche Inspirationen dazu: Atelierarbeit

Nach all dieser Theorie nun ein paar Bilder aus der Praxis:

Vielleicht konnte ich euch inspirieren und für das Buch begeistern, dann hinterlasst mir doch gerne eine Rückmeldung in den Kommentaren!

Liebe Grüße,

Susanne


Ihr habt im Schulalltag viele Herausforderungen zu bewältigen. Das Thema Lesen ist eine davon, denn die Klassen werden heterogener und die Integration zugewanderter Kinder sowie die Inklusion von Lernenden mit besonderem Förderbedarf stellen neue Anforderungen an euch.
Hier möchte euch der Ernst Klett Verlag mit der Initiative #KlettLesepakt unterstützen.

Lesepakt
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