22. Juni 2015
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Freie Lesezeiten sind eine tolle Erfahrung für Kinder: Bücher frei wählen und lesen, mit einem Freund gemeinsam anschauen, sich gegenseitig vorlesen, Hörspiele verfolgen und Informationen austauschen. Aber es fehlt in der Grundschule etwas, das den Anschluss für den Literaturunterricht in der weiterführenden Schule bietet. Ein Lesetagebuch zum Beispiel – dieses hilft, seine Erfahrungen mit dem Lesestoff sowie die Auseinandersetzung mit eben diesem zu dokumentieren. Und es bietet noch so viel mehr an literarischen Möglichkeiten, die man hier integrieren kann, wie Lesetipps geben, Plakate entwerfen oder das Lieblingsbuch präsentieren.

Ich unterrichte an einer großen Schule in Leipzig mit 24 Schülern auf kleinstem Raum. Mein Anspruch war und ist, eine freie Lesezeit zu schaffen, in der die ganzjährliche Buchvorstellung integriert ist, sowie am Ende eine Note auf die Ausführung des vollständigen Tagebuches zu geben, ohne ein Kind zu überfordern oder zu unterfordern.


Anbahnung in Klasse 1

Ich begann schon Mitte der 1. Klasse freie Lesezeiten anzubieten. Dabei nutzte ich die Hilfe unserer Fahrbibliothek / Stadtteilbibliothek, um alle 6 Wochen 24 themenbezogene Bücher für die Kinder auszuleihen. Jeweils 3 Wochen lang „knappste“ ich mir in jeder Schulwoche eine halbe Unterrichtsstunde ab, um die SchülerInnen die Bücher durchschauen zu lassen.

Hierbei ging es um grundsätzliche Verhaltensweisen, wie flüstern, ein Buch vollständig durchblättern, ordentliches Behandeln ausgeliehener Bücher sowie Leseinteressen herauszufinden. Aber auch das Abklären und Auffinden von Titeln, Autoren sowie Illustratoren im Buch spielten eine Rolle.


Die Eltern einbinden

Auf diese Weise vorentlastet, starteten wir mit einer freien Lesezeit-Stunde aller 14 Tage ins 2. Schuljahr. Hier bat ich im ersten Elternabend die Eltern darum, ein Kinderbuch, das dem Lesealter und dem Leseinteresse des Kindes entspricht, mitzugeben. Wenn dies im Lesetagebuch festgehalten war, dann musste ein Wechsel zu Hause mit dem nächsten Buch stattfinden. Das hatte den Hintergrund, dass die Eltern selbst angeregt wurden, regelmäßig eine Bibliothek mit Ihrem Kind zu besuchen und Bücher auszuleihen sowie dem Spruch „Lesen lernt man durch Lesen“ Inhalt zu geben. Spätestens nach dem ersten Buch sind Sinnerfassung, Lesetechnik und Leseschnelligkeit messbar – ganz besonders auch für die Eltern.

Alle SchülerInnen bekamen ein Lesetagebuch mit fünf einzutragenden Buchvorlagen, wobei das Lieblingsbuch zur Buchvorstellung schon die erste Dokumentation im Heft war. Somit konnten über das Schuljahr verteilt vier Bücher während der Lesezeit bearbeitet werden – und das ist völlig ausreichend. Aber selbst Kinder, die mehr Bücher schaffen, können dies auch tun, sie werden nur nicht dokumentiert. Die A4-Seiten werden als Broschüre auf A3 kopiert und dann quer geteilt. Somit reicht eine Seite für zwei Tagebücher.


Weiterentwicklung in Klasse 3

Während das Lesetagebuch in Klasse 2 eher als Lesepass mit eng gefassten Leseideen fungierte, wurde es in Klasse 3 etwas tiefgründiger. Nun umfasste es nicht nur eine Empfehlung, sondern auch Inhaltsangaben. Ebenso sind die Lese-Ideen anzusehen. Hier kann man einen qualitativen und quantitativen Zuwachs erkennen, der am Schluss auch weitere Ideen zum Auswählen eröffnet.

Auf eine Erweiterung der zu lesenden Bücher habe ich bewusst verzichtet, da die Seitenzahlen jedes Buches zunahmen. Ab jetzt kann und sollte man auf die Schulbibliothek zurückgreifen, um die Eltern zu entlasten.

In Klasse 4 mündet die Progression dann in ein gänzlich freies Entscheiden der verwendeten Lese-Idee. Dazu finden die SchülerInnen am Ende eine Liste aus den Ideen der Klasse 2 und 3 sowie kleine Erweiterungen.


Leselust statt Lesefrust

Abschließend kann ich sagen, dass bei meinen SchülerInnen die freie Lesezeit sehnsüchtig erwartet wurde. Sie trug dazu bei, die Kinder zum Lesen zu motivieren, damit sie auch in ihrer Freizeit die Lust auf Bücher entfalten können. Allerdings ist die Leselust bei Kindern mit Leseschwierigkeiten stark vom Erfolg ihrer Anstrengungen abhängig. Das fertige bunte und vielfältige Lesetagebuch am Ende des Schuljahres kann sehr dazu beitragen.

Ihre Heike Jähne-Rother

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