2. Juni 2020
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Rituale im Unterricht – Die Hinführung zum Hörverstehen

Um die Hörspur einzuführen, sollte sie in den gewohnten Rahmen von Zuhörstunden eingebettet werden. In meinem Unterricht gibt es dafür wechselnde Methoden, die aber immer auf die gleiche Art und Weise enden.

So kann man zum Beispiel zu Beginn im Stehkreis eine Klangkugel herumgeben und die Kinder bitten, die Kugel so vorsichtig dem Nachbar zu übergeben, dass sie keinen Laut von sich gibt. Dabei sind die Schülerinnen und Schüler so achtsam, dass man zum Ende der Runde oftmals eine Stecknadel fallen hören könnte.

Eine andere Möglichkeit wäre, vor Stundenbeginn im Klassenzimmer einen Wecker zu verstecken und die Kinder darauf aufmerksam zu machen. Sie müssen dann so leise sitzen und aufmerksam hinhören, dass sie entdecken, wo der Wecker versteckt ist. Auch kann man leise abfragen, welche Geräusche die Kinder gerade wahrnehmen, das kann vom vorbeifahrenden Auto auf der Straße bis zum entfernt singenden Vogel eine erstaunliche Bandbreite sein. Das trainiert zudem das Richtungshören, das bei vielen Kinder schlechter zu werden droht. Auch das bewusste Erzeugen von Geräuschen mit den Füßen auf dem Boden oder dem Aneinanderreiben der Hände und das langsame Ausschleichen der Geräusche („Ich tippe jetzt leise im Vorbeigehen einzelne Schülerinnen und Schüler an und die hören auf, ihr Geräusch zu machen.“) kann auf Geräuschquellen hinweisen, sie verebben lassen und die Kinder zur Ruhe bringen.

Dadurch nehmen die Schülerinnen und Schüler auch leise Geräusche besonders gut wahr und konzentrieren sich auf ihr Gehör. Danach suchen alle für ihre Füße einen festen Stand, die Beine sind dabei im rechten Winkel und am Ende werden die Arme „verbrezelt“, also vor der Brust verschränkt. Nach diesem Ritual sind die Kinder in Zuhörposition und Zuhörstimmung und die Arbeit kann beginnen.

S208 noch heraus finden

Illustration: Friederike Ablang, Berlin

Am Ende dieser Übungen folgt bei mir stets ein dreistufiges Ritual: Zuerst leitet die Lehrkraft oder eines der Kinder eine Ohrenmassage an, dabei werden langsam beide Ohren von oben nach unten massiert, vorsichtig daran gezogen oder darauf getippt und die Ohrläppchen zu guter Letzt geknetet.


Die erste Hörspur – Einführung

Bei der allerersten Hörspur ist es wesentlich, kleinschrittig vorzugehen und die Kinder nicht zu überfordern. Haben sie das System erst einmal verstanden, wird das Ganze schnell zum Selbstläufer. Um die Motivation der Klasse zu garantieren, wird als erstes an der Tafel die Hörspurlandkarte gezeigt und besprochen. Die Schülerinnen und Schüler äußern sich über das, was sie sehen können und dürfen erste Vermutungen anstellen. Wenn es sich wie in der vorliegenden Hörspur um einen Kriminalfall handelt, sollten vorab auch Begriffe wie Kommissar, Verdächtiger, Täter oder Tat geklärt werden. Dies kann auch durch Blitzlesen, also das sehr kurze Hochhalten passender Wortkarten durch die Lehrkraft erfolgen.

Danach liest die Lehrkraft der Klasse die Einleitung der Geschichte vor, dabei wird die Situation geklärt und mit dem Bild in Einklang gebracht. Durch das gemeinsame Erkunden der Geschichte kann auch bereits eine passende Stimmung im Klassenzimmer geschaffen werden.

Dann geht es schon an die Erklärung: Hierbei ist es ganz besonders wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler verstehen, dass einzig die Nummer eins eine fixe Zahl ist und alle danach folgenden Nummern keiner mathematischen Reihenfolge mehr folgen.

Um es ihnen besser verständlich zu machen, sollten die ersten drei Titel gemeinsam besprochen werden. Danach können die Kinder sich selbstständig durch die Geschichte klicken und bei Bedarf schwierige oder für sie schwer verständliche Titel mehrfach anhören. In der dritten und vierten Klasse können die Kinder überdies Kernbegriffe oder Schlüsselwörter sammeln und strukturieren. Darauf werde ich genauer im nächsten Artikel eingehen.

grünes Ausrufezeichen

Illustration: Liliane Oser, Hamburg

Wichtig ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler die Reihenfolge der Titel notieren oder sie auf einer ausgedruckten Hörlandkarte einzeichnen. Damit kann am Ende, sobald alle Kinder sich durch die Geschichte gehört haben, kontrolliert werden. Schnelle Kinder dürfen die richtige Spur bereits auf der Tafel einzeichnen oder ihre Notizen in einer Mindmap oder Tabelle strukturieren. Schwachen Kindern kann man bereits zu Beginn Bilder zu schwierigen Begriffen bereitlegen oder ein Bildwörterbuch anbieten.


Auflösung der Hörspur

Für die Auflösung der Hörspur präsentieren alle Gruppen ihre gesammelten Täterbeschreibungen. Sie können sich dabei frei entscheiden, ob sie diese als Steckbrief, Mindmap oder Liste zusammenführen wollen. Nachdem die Kinder ihre Ergebnisse vorgestellt haben und die Klassenkameraden genau überprüfen, ob alle genannten Merkmale darin vorkommen, gibt es einen Hinweis vom Kommissar:

Gerade ist noch eine E-Mail von Kommissar Meister gekommen. Er schreibt: Hallo Frau Priller, mir wurde gerade mitgeteilt, dass die Tür zur Personaltreppe aufgebrochen wurde. Da muss der Dieb wohl geflohen sein. Man hat dort gleich zwei Hinweise auf den Täter gefunden. Einen Haargummi mit langen Haaren darin und eine zerbrochene Brille – die hat der Täter wohl in der Eile verloren. Können deine Spürnasen etwas damit anfangen?

Angespornt durch diese Aufgabe vom Kommissar selbst, können die Kinder noch einmal miteinander diskutieren, falsche Verdächtige aussortieren und die Hinweise auf den potenziellen Täter erörtern. Dann wird jedem der drei Verdächtigen eine Nummer zugeordnet und per Blindabfrage mit geschlossenen Augen zeigen die Kinder an, wen sie als Täter in Verdacht haben. Dabei wird kein Kind bloßgestellt, weil es die richtige Antwort nicht kennt und die Lehrkraft kann auf einen Blick erfassen, wer in Zukunft noch mehr Unterstützung bei der Erarbeitung brauchen wird. Ist der Täter dann entlarvt, wird mit dem Geschichtenende aufgelöst:

Auf der Polizeiwache sind mittlerweile alle drei Verdächtigen eingetroffen. Herr Meister befragte gleich zu Beginn die junge Frau. Besonders ist ihm dabei aufgefallen, dass sie immer die Augen zugekniffen hat, wenn sie etwas lesen sollte. Als er sie darauf angesprochen hat, hat sie erzählt, dass sie wohl zuhause ihre Brille vergessen hätte. Das kam ihm äußerst verdächtig vor. Als er ihr dann ihre zerbrochene Brille vorgelegt hat, konnte sie nicht anders und gestand ihre Tat. Das Gemälde hat sie glücklicherweise vorsichtig eingepackt und auf ihrem Dachboden versteckt. Die Polizei wird es schnellstmöglich sicherstellen.


Reflektieren über Hörverstehen – Das Gehörte „nachbesprechen“

Im Anschluss wird mithilfe von Symbolen oder Wortkarten reflektiert, dabei kann der Fokus auf die reine Zuhörstrategie („Was hat dir geholfen, besonders konzentriert zuzuhören?“), oder der Art der Notation des Gehörten („Wie können dir die Notizen am besten helfen?“ „Wenn ich sie als Tabelle/ Mindmap/ Steckbrief ordne“), je nach Jahrgangsstufe eingegangen werden.

In einer ersten oder zweiten Klasse kann man auch im Nachgang des Hörens passende Bildkarten zur Geschichte in die richtige Reihenfolge entlang eines roten Bandes bringen und auf diese Weise den roten Faden symbolisieren und die Geschichte nacherzählen lassen.

Die Möglichkeiten sind vielfältig und ich hoffe, ihr habt mit meiner Hörspur genauso viel Spaß wie ich!

Julia Priller

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