2. Oktober 2018
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Geschafft! Der wohlverdiente Haken geht an…

(Trommelwirbel) – Quartal eins von sechs. Zweieinhalb Monate Referendariat sind eingetütet, fünfzehneinhalb sollen folgen. Zugegeben, ich bin Lehramtsanwärterin im absoluten Startbereich, die Zielgerade noch etliche Unterrichtsversuche, -besuche und – davon ist auszugehen – zahlreiche Hürden entfernt. Dennoch, die Leichtigkeit der Sommerferien lässt mich einen vorsichtigen und wohlwollenden Blick zurückwerfen.


Welche Erfahrungsschätze sind nun schon drin, in der „Quartals-Tüte 1.0“!?

Wo sie sich ja förmlich aufdrängt: darf ich vorstellen, die Reflexion, nicht wegzudenkende Wegbegleiterin des Vorbereitungsdienstes. Sie beschließt für die Kinder den Unterricht, stellt für den Lehramtsanwärter (im besten Falle) das krönende i-Tüpfelchen einer gezeigten Unterrichtsstunde dar und bildet nicht zuletzt den Einstieg in so ziemlich jede Seminarsitzung. Der ehrliche, kritische Blick zurück kann anstrengend sein, auch mal (Selbst-)Zweifel und Ängste aufdecken. Im Grunde aber tut diese Rückschau sehr gut, lässt uns im Seminar näher zusammenrücken und offene, vertraute Gespräche entstehen.

Obendrein legt Reflexion wahrheitsgemäß offen, ob ein anvisiertes Unterrichtsziel tatsächlich erreicht wurde – seitens der Kinder, seitens der Lehrkraft –, ob vielleicht eine Abwandlung der gewählten Methoden, Sozialformen, Themen…in der Zukunft besser zum Erfolg führen würde?! Große Fragen, nicht immer klare Antworten. Mein erstes „richtiges“ Reflexionsgespräch liegt nicht lange zurück…

Es ist der letzte Schultag vor den Ferien, Unterrichtsbesuch Nummer eins im Fach Englisch. Der sicherlich größte Erfahrungsschatz aus meiner Tüte. Ich bin lange quietschfidel, bevor mein Wecker mich dazu auffordern kann, lande entsprechend zu früh in der Schule und verbringe gefühlt Stunden im noch leeren, fremden Klassenraum, den wir erst Tags zuvor neu bezogen haben. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Zeit zum Vorbereiten des Tafelbildes und letzter Differenzierungsmaßnahmen, zum Stimmen der Gitarre, zum wiederholten Durchsehen und Verinnerlichen des Verlaufsplans, … – und schließlich immer noch: Zeit zum Verrücktmachen. Als wären die Nerven nicht ohnehin schon blank genug, muss mein Körper sich bereits mit drei Tassen Kaffee herumschlagen. (Ich reflektiere und halte fest: zwei tun’s beim nächsten Mal wohl auch…)

Dagegen verfliegen die 45 Minuten Unterricht rasend schnell. Das Thema der Stunde: ganz überschaubar („It’s night on our farm – let’s listen to a story.“). Die Zielformulierung hingegen eher… sagen wir – komplex:

„Die SuS erweitern ihre Kompetenz im Bereich Hörverstehen/Hör-Sehverstehen, Äußerungen und Hörtexten bzw. Hörsehtexten, die auf vertrautem Wortschatz basieren, mit Unterstützung relevante Informationen [zu entnehmen]‘ (aus: Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Grundschule – Richtlinien und Lehrpläne), indem sie beim storytelling wesentliche Inhaltsaspekte des authentischen Kinderbuchs Snore!: A noisy night for dozy dog erfassen.“

So weit, so gut. Für die Kinder notiere ich neben unserer Zielflagge dann doch lieber „We understand a story.“.

Die anfängliche Aufregung und Anspannung, die wohlwollenden und gleichwohl kritischen Blicke der Riege Erwachsener im Raum – mit jeder Zeile unseres ‚good morning songs‘ verabschiede ich mich mehr und mehr von äußeren Einflüssen und unbequemen Empfindungen – schließlich sind da nur noch die Kinder, allerhand Bauernhoftiere und ich. Die spontanen, authentischen Kommentare der Klasse lockern herrlich erfrischend auf und alles Lebendige, nicht minutiös Geplante macht am meisten Freude.


Einen Blick auf das Stundenziel

Der vielleicht überraschendste Moment: gemeinsam blicken wir kurz vor Unterrichtsschluss auf das Stundenziel zurück und siehe da – vor allem das Nachsinnen über wahrgenommene Hürden und beanspruchte Hilfen auf dem Weg dorthin fällt den Zweitklässlern leichter als gedacht. So enthält das englische Kinderbuch gewiss nicht wenige unbekannte Wörter und auch einige Satzstrukturen und Zeitformen, die für die Fremdsprachenlerner gänzlich neu sind. Bemerkenswert allerdings die Begeisterungsfähigkeit und Bereitschaft der Kinder. Wie sie mithilfe des vertrauten Begriffs pig die unbekannte Vokabel piglet erschließen, meine (natürlich recht übertriebene) Mimik und Gestik sowie Bildkarten der entsprechenden Tiere an der Tafel als Verstehenshilfen wahrnehmen und je nach individuellem Bedarf nutzen.

Lehrerin mit Kindern

Getty Images Plus/Microstock

Reflexion würde das hier zwar gewiss niemand nennen, aber ich halte fest: es funktioniert. Und hilft sowohl der persönlichen Erkenntnis über Sprachlernbewusstheit als auch dem Austausch von Tipps und Erfahrungen in der gesamten Gruppe. Und auch ich stelle mich im Anschluss an die gezeigte Unterrichtsstunde der kritischen Auseinandersetzung. Viele wertvolle Erfahrungen wandern da in meine Schatzkiste. Konstruktive Vorschläge und Impulse, Nachfragen, die zum Nachdenken anregen, eigene Erkenntnisse, die sowohl stärken und ermutigen, als auch auffordern und bewusstmachen, was da noch vor mir liegt. Ich reflektiere und bemerke: Es ist sicher noch ein weiter Weg. Und das ist gut so – es ist schließlich auch noch reichlich Platz da, in meiner Tüte.

Lasst uns also bei all den Herausforderungen und Anstrengungen des Refs immer wieder ganz bewusst darauf schauen, welche Erfahrungsschätze wir schon gesammelt haben. Und wie bei den Kindern auch bei uns selbst den Blick auf all das richten, was da ist und unsere Stärken ausmacht – und nicht das, was möglicherweise noch alles fehlt… Wie gut, dass wir selbst darüber entscheiden können, welche Gedanken und Gefühle in dieser stressigen Zeit Raum in unseren Köpfen und Herzen einnehmen sollen! Uns allen eine gute und behütete Weiterreise durchs Ref, viel Geduld, Leichtigkeit und Kraft bei allen Staus, Um- und Irrwegen, aber auch Freude und Rückenwind auf den freien und schönen Wegstrecken wünscht euch

Ann-Mareen Kraft

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