1. November 2021
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Wie ich den Zahlenraum bis 100 in meiner 2. Klasse erweitere

In der Regel kennen die Schülerinnen und Schüler am Ende der 1. Klasse alle Zahlen bis 100 dem Namen nach. Damit ist aber selten ein tieferes Verständnis des Bündelungsprinzips und der Stellenwertschreibweise verbunden. Deshalb führe ich mit meinen Zweitklässlern spielerisch vorbereitende Übungen zunächst auf der Handlungsebene durch.


Erst schätzen, dann zählen

Um eine Anzahl geschickt zu erfassen, ist es vorteilhaft, sie zunächst schätzen zu lassen. Dies hilft den Kindern dabei, ihr Gefühl für Zahlen und Mengenvorstellungen zu verbessern.

Mini und Max haben meiner 2. Klasse eine Dose voller Muggelsteine mitgebracht. Sofort beginnt im Sitzkreis eine spannende Diskussion darüber, wie viele Muggelsteine sich wohl in der Dose befinden.
Jedes Kind darf die geschlossene Dose in den Händen halten, ihr Gewicht wahrnehmen, die Dose schütteln und von außen die Muggelsteine begutachten.
„Das sind mindestens 35!“, „1000“, „99“, „50“, „100.000“. Die Antworten der Kinder machen deutlich, wie unterschiedlich ihre Größenvorstellungen sind und wie weit sie auseinandergehen.

Mini und Max mit Muggelsteinen

Der Inhalt der Dose wird auf den Fußboden gekippt und ein Kind beginnt zu zählen. Egal wie leistungsstark die Klasse ist, erfahrungsgemäß wird immer fortlaufend gezählt und alles auf einen Haufen sortiert. Etwa bei 25 springt Mini mitten in den Haufen und bringt das Kind verbal beim Zählvorgang durcheinander, so dass es von vorn beginnen muss. Diese doch ziemlich gemeine, aber äußerst lehrreiche Prozedur wiederhole ich einige Male, um so mehreren Kindern das handelnde Zählen zu ermöglichen und sie im Besonderen auf eine bessere Strategie kommen zu lassen.

Zehnerbündelung als Zählstrategie für größere Mengen nutzen

Mini und Max mit Muggelsteinen und Eierkartons

Schließlich kommen meine Schülerinnen und Schüler auf die Idee, immer 10 Muggelsteine auf einen Haufen zu legen. Nach dieser Erkenntnis reiche ich ihnen leere Eierkartons (10er-Packungen) und lasse nacheinander jeweils einen Karton von einem Kind füllen, während wir alle jeweils laut bis 10 mitzählen.

Die Kinder ordnen eine unstrukturierte größere Anzahl von Gegenständen (in unserem Fall Muggelsteine) durch Bündeln zu jeweils 10. Diese Handlungserfahrungen sind grundlegend für die folgenden Abstraktionsschritte. Sie geben den Darstellungen auf der ikonischen Ebene erst ihren Sinn und machen schließlich auf der symbolischen Ebene die Stellenschreibweise einsichtig.


Der dezimale Zahlenaufbau – Ankerpunkte schaffen

10 Eierkartons sind voll. Wir zählen gemeinsam, wie viele Muggelsteine Mini und Max mitgebracht haben:
„10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90, 100.“

Neue Zahlenräume können Kinder nur schwer sofort in ihrer Feinstruktur erobern. Bei der Zahlenraumerweiterung bis 100 sind die Zehnerzahlen die ersten Ankerpunkte. Ausgehend von diesen Ankerpunkten erarbeiten wir uns dann Stück für Stück die Feinstruktur des neuen Zahlenraums und schließen die Lücken zwischen den Zehnerzahlen. Die Bedeutung der Kraft der 5 ist meinen Schülerinnen und Schülern seit dem 1. Schuljahr bekannt. Bei der Darstellung von Mengen platziere oder zeichne ich Plättchen o. a. immer so, dass die 5er-Struktur deutlich erkannt wird. Dadurch fällt es den Kindern leichter, eine Menge schnell zu erkennen, ohne sie abzählen zu müssen.

Mini und Max mit Muggelsteinen in Eierkartons

Auch im Zahlenraum bis 100 können wir den Schülerinnen und Schülern die Orientierung und Zahlenraumerfassung erleichtern, indem wir die Kraft der 5 durch entsprechendes Legen von Material bzw. farblich darstellen. Wenn ihr mit euren Lerngruppen das Hunderterfeld erarbeitet, erkennen sie schnell, warum die Zahlenfelder blau und rot dargestellt sind und nutzen die 5er-Struktur zunehmend intuitiv.

Vom Eierkarton zum Hunderterfeld

Mini und Max mit farbigen Eierkartons

Unsere Eierkartons mit den 100 Muggelsteinen blieben noch mehrere Tage im Klassenraum liegen. Während wir am anschaulichen Tafelmodell den Aufbau des Hunderterfeldes lernten, überlegten meine Schülerinnen und Schüler gemeinsam, wie viele Eierkartons rot und blau bemalt werden müssen.
Wenn ihr Mathe und Kunst in derselben Klasse unterrichtet, könnt ihr nicht nur bei geometrischen Themen wunderbar fächerübergreifend unterrichten. Meine Klasse liebt „Mathekunst“ und nutzt ab und zu gern eine verlängerte Mathestunde, um an soeben im Mathematikunterricht gewonnenen Erkenntnissen künstlerisch-kreativ weiterarbeiten zu können. Vor allem das richtige Zerschneiden und Zusammenkleben der Eierkartons nach der vorgegebenen Struktur des Hunderterfeldes regten das Problemlösen meiner Klasse an und weckten ihre Kreativität.

Unser eigenes Hunderterfeld steht nun dauerhaft im Klassenraum und wird genutzt, um die Orientierung im Zahlenraum bis 100 spielerisch zu üben. Ein Muggelstein oder Plättchen wird in ein Feld geworfen und die Zahl genannt, die an dieser Position im Hunderterfeld steht.

So könnt auch ihr mit euren Klassen handlungsorientiert und mit viel Freude den Zahlenraum bis 100 erweitern.


Zu den Handpuppen „Mini“ und „Max“

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