23. April 2023
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Unsere Wahrnehmung vom Sonnenaufgang und unser Weltwissen von der Erddrehung stimmen nicht überein. Genau daraus entsteht Spannung für die Kinder! Das Ziel ist eine extrem wichtige Lektion fürs Leben: Was ich mit eigenen Augen sehe, muss nicht wirklich sein!


Wie funktioniert denn ein Sonnenaufgang wirklich?

Die Geschichte für den Einstieg, 1. Teil:

Sonnenaufgang

Mini hat gehört, dass die Sonne gar nicht auf- und untergeht und kann es kaum glauben. „Aber wir sehen es doch jeden Tag, wie die Sonne morgens bei der Kirche aufgeht und abends dahinten am Schuppen untergeht.“ „Ja, aber das soll nur so aussehen, in Wirklichkeit ist es anders. Übrigens gibt es einen Versuch dazu. Das steht hier alles.“ „Versuch? Das ist gut!“ Also schlägt Max vor, alles zu organisieren, was man dafür braucht: Eine dicke Styroporkugel, einen Holzspieß, zwei Stecknadeln, eine helle Taschenlampe und einen Globus.

Mini liest weiter vor, was sie tun sollen: „Die Styroporkugel soll die Erde sein. Die Erde dreht sich um sich selbst. Darum steckst du den Spieß mitten durch die Kugel. Nun kannst du sie ganz leicht drehen.“ Mini freut sich, denn das sieht jetzt aus wie bei dem Globus im alten Schuppen. Oben ist der Nordpol, unten der Südpol. „Die Stecknadel sollen wir ungefähr dort hinstecken, wo wir uns befinden“, erklärt Mini. Die beiden laufen also zum Schuppen und schauen nach, ob sie Deutschland auf dem Globus finden. Dann stecken sie die Nadel an eine Stelle mitten auf die Nordhalbkugel.

Im Schuppen ist es etwas dämmrig, das ist perfekt für den Versuch, denn die Taschenlampe leuchtet hell. Das ist die Sonne, sie strahlt die Kugel von der Seite aus an und Mini und Max erkennen gut, wann die Stecknadel im Sonnenlicht und wann sie im Schatten ist. Max dreht die Kugel langsam immer weiter, immer gegen den Uhrzeigersinn.  Gerade kommt die Nadel in den hellen Bereich. „Das muss der Sonnenaufgang sein“, ruft Mini fröhlich, „jetzt ist dort Tag, immer noch Tag und gleich, … jetzt kommt die Nadel wieder in den Schattenbereich. Jetzt ist die Sonne weg, es wird dunkel.“ „Und wir denken, dass die Sonne untergegangen ist! Dabei hat sich dieser Ort auf der Erde von der Sonne weggedreht! Die Erde hat sich bewegt, nicht die Sonne!“

Die Geschichte für den Einstieg an einem anderen Tag, 2. Teil:

Ihr erinnert euch an die Geschichte von Mini und Max, die mit einem Versuch verstanden haben, wie Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wirklich entstehen. Stimmt´s? Wisst ihr noch, dass wir eine Styroporkugel hatten, das war … und … (Kinder nennen alles, woran sie sich erinnern.). Wisst ihr noch, dass wir auf dem Globus Deutschland gesucht haben und uns sind dabei die Breitengrade aufgefallen?

Max geht es auch so, der Versuch geht ihm nicht aus dem Kopf. Eines Tages sagt er zu Mini: „Wenn ich mir vorstelle, ich sitze hier gemütlich in meiner Hütte und fliege in Wirklichkeit als kleiner Punkt auf der Erdoberfläche durchs All, nur weil sich die Erde um sich selbst dreht. Da wird mir ja ganz schwindelig! Das muss nämlich ziemlich schnell sein. Wir kommen ja jeden Tag einmal rings herum.“ „Tolle Idee, Max, lass uns recherchieren, wie schnell wir uns bewegen! Wir wollen doch wissen, mit welcher Geschwindigkeit wir über unseren Breitengrad fahren müssten, um am nächsten Tag genau hier wieder anzukommen. Mit dem Finger auf dem Globus geht das leicht. Aber in Wirklichkeit ist das ja eine lange Strecke für nur einen einzigen Tag.“


Allgemeine Hinweise

Kinder wachsen an den Problemen, für die sie sich interessieren und die sie selbst lösen. Wir bieten ihnen eine spannende Geschichte (statt Faktenwissen), zeigen ihnen, was man mit dem Material tun kann, und lassen ihnen dann Zeit zum Ausprobieren und Verstehen. Je nach Bedarf geben wir ihnen konkrete Fragen, die sie zu zahlreichen Erkenntnissen führen.

Für diesen Versuch braucht man:

  • 1 Styroporkugel
  • 1 Holzspieß
  • 2 Stecknadeln
  • 1 Lampe
  • 1 Globus.

Die Kinder brauchen zusätzlich eine Kopie der Geschichte zum Nachlesen und einen etwas abgedunkelten Bereich.

MiniMax Sonnenaufgang

Auf dem Globus finden die Kinder Deutschland. Der Globus bietet hier mehr relevante Infos als Google: Breiten- und Längengrade sind ein sichtbares Netz, auch ein Ort im Osten von Deutschland, zu dem die Kinder einen Bezug haben, kann auf dem Globus entdeckt werden. Wir lenken unsere Lichtquelle dennoch lieber auf die Styroporkugel als auf einen Globus. Sie reflektiert das Licht viel besser und hilft uns, das Problem zu fokussieren.

Wir zeigen, wie man die Erdachse gegen den Uhrzeigersinn dreht. Es hilft, von oben darauf zu schauen, wie auf ein Ziffernblatt, dann genau gegen den Uhrzeigersinn zu drehen (von 12 aus nach links!) Während wir langsam drehen, lassen wir die Kinder erzählen, was sie sehen: Licht, Schatten, Grenzbereiche, …

Viele Forscherfragen auf einmal könnten das Interesse ersticken. Daher empfehle ich, die Geschichte einer größeren Gruppe zu erzählen. Einige Kinder üben danach den Versuch, um ihn dann anderen Kindern vorzuführen. Zur Vorbereitung coachen wir sie u.a. mit den „Aufgaben für Forscher“. Wir geben ihnen Tipps zur Arbeitsaufteilung und inhaltlicher Art, je nach Bedarf. Der Ort im Osten kann mit einer andersfarbigen Stecknadel markiert werden.

Was tun wir, wenn Kindern die Schrägstellung der Erdachse am Globus auffällt? In einem weiteren Blogbeitrag von mir wird es um die Jahreszeiten gehen, also bitte abwarten.

Der 2. Teil der Geschichte beginnt mit einer gemeinsamen Sammlung von Erinnerungen an den Versuch. Dann wird zu einer mathematischen Aufgabe übergeleitet. Die Kinder können selbst recherchieren und dann berechnen. Ebenso könnten wir ihnen die Länge eines Breitengrades durch Deutschland vorgeben. Die Berechnungen können als Überschlag oder schriftlich oder mit Taschenrechner erfolgen, je nach Alter und Potential der Kinder.


Durchführung

  1. Material bereitstellen: Styroporkugel, Holzspieß, Stecknadeln, Lampe und Globus. Dann vielen Kindern die Geschichte erzählen. Dabei die Erdachse bewusst von Süd nach Nord in die Styroporkugel stecken und sehr langsam um die eigene Achse drehen, gegen den Uhrzeigersinn. Die Stecknadel für den Wohnort auf der Nordhalbkugel markieren. Die Kinder erkennen: Wenn die Stecknadel im Lichtkegel ist, ist da Sonne/Tag. Wenn sie im Erdschatten ist, ist da Schatten/Nacht. Wenn gerade die ersten Lichtstrahlen auf die Stecknadel treffen, geht da die Sonne auf und wenn die Stecknadel aus dem Lichtkegel herauswandert, geht da die Sonne unter.
  2. Lehrkraft: „Ich glaube, ihr könnt den Versuch selbst durchführen, wenn ich euch nur alle diese Teile (wieder einzeln) mitgebe und ihr den Text der Geschichte nachlesen könnt. Welche 2-3 Kinder möchten damit anfangen? Bitte sagt mir, wenn ihr den Versuch anderen Kindern vorstellen wollt. Dann möchte ich gern mit euch zusammen planen (oder bei sehr selbstständigen Kindern: … es durchgehen).“
  3. Kinder probieren selbst, berichten der Lehrkraft von ihren Entdeckungen und legen fest, wer bei der Präsentation welche Aufgaben übernimmt. Jede Gruppe erhält ein angemessenes und ermutigendes Feedback. Danke!
  4. Weiterer Schultag, evtl. eine Woche später: Mit einer Gruppe mathematisch interessierter Kinder beginnen wir den 2. Teil der Geschichte, indem wir zuerst alle Erinnerungen zusammentragen und dann die Frage nach der Geschwindigkeit stellen. „Mit welcher Geschwindigkeit müssten wir über unseren Breitengrad fahren, um am nächsten Tag genau hier wieder anzukommen?“ Unser Ziel ist nicht die schnelle richtige Lösung, sondern dass Kinder selbst Wege finden, um die notwendigen Informationen zu erhalten und sich dabei unterstützen. Wir helfen ihnen, am Thema zu bleiben, geben ihnen Tipps, z.B. was Geschwindigkeit bedeutet, nämlich: zurückgelegte Kilometer (km) in jeder Stunde.
  5. Vielleicht ist das Thema ansteckend und viele Kinder wollen den Versuch machen/vorführen.

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