12. Dezember 2017
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Liebe Niko-Fans,

nun steht das Kapitel 4 im Sprachbuch an, durch das sich als roter Faden das Thema „Märchen“ zieht. Somit sind auf dem Poster zu Kapitel 4 auch viele Märchenfiguren und Fantasiegestalten zu entdecken. Obwohl „Märchen“ durchaus sprachlich anspruchsvoll sind, habe ich mich entschlossen, sie in den Mittelpunkt meines Deutschunterrichtes zu stellen.

Damit möchte ich die zwei Kompetenzbereiche „Lesen – mit Texten und Medien umgehen“ und „Sprechen und Zuhören“ abdecken. Das Poster 4 kann mir dabei helfen, die sprachliche Vorarbeit zu leisten.


Mein Einstieg

Vor dem Start habe ich mir aus der örtlichen Kinder- und Jugendbibliothek eine Themenkiste mit Märchenbüchern zusammenstellen lassen. Ergänzt habe ich diese Sammlung durch Märchenbücher aus unserer Schulbücherei sowie Bücher aus meinem Fundus. Auch wenn die meisten Märchensammlungen in Bezug auf Textumfang und Verwendung sprachlicher Mittel zu anspruchsvoll für meine Lerngruppe sind, können sich die Kinder die schönen Illustrationen zu den einzelnen Märchen anschauen und sich darüber austauschen. In der Bücherkiste sind auch Bilderbücher für jüngere Kinder, die meine Schülerinnen und Schüler nicht nur zum Durchblättern, sondern auch zum Lesen einiger Sätze einladen. Um die Kinder auf das neue Sprachbuchkapitel einzustimmen und mehr über ihr Vorwissen zum Thema Märchen zu erfahren, beginne ich mit einem stillen Schreibgespräch an den Tischgruppen.

Dazu lege ich je einen weißen DIN-A3-Bogen pro Tischgruppe aus. Darauf habe ich im Vorfeld je einen Impuls pro Blatt notiert:

  1.  Diese Märchen kenne ich …
  2.  Diese Märchenfiguren kenne ich …
  3.  Diese Märchenorte kenne ich …
  4.  Diese Märchensätze kenne ich …
  5.  Diese Märchenzahlen kenne ich …
  6.  Was ich sonst noch über Märchen weiß …

Die Kinder bewegen sich nun mit einem Bleistift durch den Klassenraum von Tischgruppe zu Tischgruppe, lesen den Impuls und notieren, was ihnen dazu einfällt. Da es ein Schreibgespräch ist, dürfen sie auch die Antworten anderer Kinder kommentieren. Ein Mädchen schreibt zum Beispiel zu Impuls 1 „Schneewittchen“ und ein Junge kommentiert zu der Notiz „Kenne ich auch aus dem Fernsehen.“. Wenn Kinder zu Impuls 1 Fernsehserien oder Filme aufschreiben, die im eigentlichen Sinne keine Märchen sind, kommentiere ich dies mit der Frage „Ist das ein Märchen?“ und versuche, die nachfolgenden Kinder zum Nachdenken anzuregen.

Die Phase des Schreibens beende ich durch ein akustisches Signal und hänge die Blätter mit den Schreibgesprächen an die Tafel. Da die Schrift nicht für alle Kinder gut lesbar ist, lese ich die Schreibgespräche vor und wir tauschen uns darüber aus. „Falsche“ Märchen und Märchenfiguren werden nach Rücksprache gestrichen und neue Einfälle ergänzt. Ich bin überrascht, wie viel Wissen die Kinder schon zusammengetragen haben. Zu Hause schreibe ich unsere Erkenntnisse zu den einzelnen Impulsen ordentlich und gut lesbar auf Plakate, die im Verlauf der Arbeit mit dem Poster 4 noch wachsen können.


Meine Arbeit mit dem Poster

 

Zu Beginn der nächsten Stunde hänge ich das Poster 4 an die magnetische Tafel und die Kinder kommen davor im Theaterkreis zusammen. Wie immer, gebe ich den Schülern und Schülerinnen zunächst die Gelegenheit, sich kurz mit ihrem Sitznachbarn über die Posterinhalte auszutauschen. Wir gehen nach dem kurzen Partneraustausch direkt zur Erarbeitung des Wortschatzes über.


Erarbeitung des Wortschatzes

 

Die Materialien habe ich, wie im didaktischen Kommentar zu Poster 4 beschrieben, vorbereitet. Im Sinne einer didaktischen Reduktion möchte ich mich zunächst auf die vier abgebildeten Märchen bei meiner Sprachförderung beschränken: „Rotkäppchen“, „Der Froschkönig“, „Das tapfere Schneiderlein“ und „Hänsel und Gretel“. Aus diesem Grund wähle ich aus den Satzkarten (KV 4.1a bis c) nur diejenigen aus, die zu den vier abgebildeten Märchen passen. Momentan benötige ich auch bei den Wortkarten des Wortspeichers (KV 4.2) nur die Wortkarten mit den Nomen bzw. den Namen der abgebildeten Figuren. Zusätzlich habe ich die Blankokarten (KV 4.2) wie die Wortkarten auf DIN A3 vergrößert, laminiert, auseinandergeschnitten und mit einem Magnetstreifen versehen. Mithilfe dieser Blankokarten und eines schwarzen, abwaschbaren Folienstifts können wir nun unsere Wortschatzsammlung ergänzen. Wir beginnen damit, die abgebildeten Märchenfiguren mithilfe der Lupe (KV I) zu fokussieren, ihre Namen zu nennen (KV 4.2) und dabei die Frage „Was tun die Figuren?“ (KV 4.1a bis c) zu beantworten.

Wir visualisieren die entsprechenden Wort- und Satzkarten auf oder neben dem Poster an der Tafel. Da ich den Schwerpunkt meiner Sprachförderung für die Kinder, die Deutsch als Zweitsprache erwerben, auf die vier abgebildeten Märchen lege, sammeln wir auf den Blankokarten noch weitere Wörter, die für das spätere Verständnis der Märchen bedeutsam sind. Die Kinder nennen zu den Märchen die folgenden Wörter:

  • „Rotkäppchen“: der Korb, die Flasche, der Kuchen, der Blumenstrauß, der Wald, besuchen
  • „Hänsel und Gretel“: die schwarze Katze, der Lebkuchen, das Törtchen, der Schornstein, hungrig
  • „Das tapfere Schneiderlein“: die Schere, der Faden, die Nadel, der Knopf, nähen
  • „Der Froschkönig“: der Frosch, glitschig, die goldene Kugel, fallenlassen, der Brunnen, tief, traurig

Kompetenzbereich „Lesen – mit Texten und Medien umgehen“:

Erarbeitung der Märchen

 

Zu Beginn der nächsten Stunde lesen die Kinder die Wort- und Satzkarten zum Märchen „Rotkäppchen“ an Poster 4 vor, um den erarbeiteten Wortschatz zu aktualisieren. Anschließend lese ich den Kindern das Märchen „Rotkäppchen“ aus dem Buch „Märchen für die Grundschule“ vor. Zuvor habe ich das Märchen für mich in Sinnabschnitte gegliedert und sprachlich vereinfacht, indem ich alte Begriffe, wie z. B. Sammet direkt durch Samt ergänzt, Sätze gekürzt und den Begleitsatz der wörtlichen Rede stets vorangestellt habe. Bereits während des Vorlesens klären wir unbekannte Wörter. Nach einem Sinnabschnitt lasse ich die Kinder den Inhalt mit eigenen Worten wiederholen und wir finden dazu eine passende Überschrift, die wir auf einem Plakat notieren. Es entstehen folgende Überschriften:

  1. Rotkäppchen bekommt einen Korb mit Kuchen und Wein für die Großmutter
  2. Im Wald trifft Rotkäppchen den bösen Wolf
  3. Rotkäppchen kommt vom Weg ab und pflückt einen Blumenstrauß
  4. Der Wolf frisst die Großmutter und verkleidet sich
  5. Rotkäppchen steht an Großmutters Bett
  6. Der Wolf verschlingt das Rotkäppchen
  7. Der Jäger schneidet den Bauch des Wolfes auf und befreit das Rotkäppchen und die Großmutter
  8. Sie legen Steine in den Bauch des Wolfes

In den nächsten beiden Stunden lernen die Kinder die Märchen „Das tapfere Schneiderlein“ sowie „Hänsel und Gretel“ auf die gleiche Weise wie oben beschrieben kennen. Nun sollen die Kinder sich entscheiden, welches Märchen sie nacherzählen möchten.


Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“:

Erzählen des Märchens in Gruppenarbeit

Die Kinder ordnen sich nach ihren Interessen den drei Märchen zu. Nach meinen bisherigen Erfahrungen sollte die Gruppengröße in meiner 2. Klasse für dieses Unterrichtsvorhaben nicht größer als vier Kinder sein, da sie sich untereinander abstimmen müssen, wer welches Bild malt und wer welchen Teil des Märchens nacherzählt. Außerdem kommt es umso mehr zu Unruhe beim Einüben des Erzählvortrages, je größer die Gruppe ist.

Die Gruppen lesen sich die zuvor erstellten Plakate mit den Überschriften zu ihrem Märchen durch. Dann teilen sie sich die einzelnen Märchenabschnitte entsprechend der Überschriften untereinander auf. Im Durchschnitt erhält jedes Kind zwei Abschnitte und malt im Rahmen des Kunstunterrichtes passende Bilder auf DIN A3. Wenn die Bilder fertig sind, notiert jedes Kind zu seinen Bildern Stichwörter oder kurze Sätze zum Bild auf Karteikarten.

Die Kinder können sich gegenseitig im Rahmen der Gruppenarbeit beim Beschriften der Karten helfen. Kinder, die die deutsche Sprache aufgrund ihres geringen Wortschatzes noch wenig beherrschen, sprachliche Unsicherheiten im grammatikalischen Bereich zeigen oder sich noch nicht trauen, frei vor Publikum zu erzählen, notieren mithilfe der anderen Gruppenmitglieder und auch mit meiner Unterstützung kurze Sätze, die sie notfalls während des Erzählvortrages ablesen können.

Kamishibai

 

Leo erzählt seinen Teil des Märchens „Rotkäppchen“ mit dem Kamishibai

Sind Bilder und Karteikarten vorbereitet, probt jedes Kind zunächst für sich seinen Erzählvortrag und anschließend im Rahmen der Gruppe. Besonders schwierig ist es für die Kinder, sich mit ihrem Erzählvortrag bei den Übergängen von einem Bild zum anderen abzustimmen. Manchmal müssen sie auch noch daran denken, zu erzählen, was „zwischen den Bildern“ passiert.

Jede Gruppe präsentiert ihr Märchen im Theaterkreis. Für die Präsentation nutzen wir mein Kamishibai (japanisches Erzähltheater aus Holz im DIN-A3-Format).


Die Zuhörerkinder geben der Gruppe bzw. einzelnen Kindern eine Rückmeldung, was ihnen gut gefallen hat:

  • Mir hat gut gefallen, dass …

und was sie noch verbessern könnten:

  • Ich habe einen Tipp für dich … .

Dabei sammeln wir folgende Erzählkriterien auf einem Plakat:

  1. laut und deutlich sprechen
  2. die Stimme passend verstellen (z. B. wie der Wolf sprechen)
  3. Pausen machen
  4. zum Publikum sprechen

Alle Kinder haben nun die Möglichkeit, ihre Erzählvorträge mit Blick auf die erarbeiteten Kriterien zu verbessern.


Abschluss

Die Kinder hatten viel Spaß und waren sehr stolz, ihre Märchen den Kindern aus dem ersten Schuljahr sowie ihren Eltern im Rahmen eines Märchennachmittages bei Kaffee und Keksen zu erzählen. Jedes Kind konnte entsprechend seinem individuellen sprachlichen Niveau und seinen individuellen Fähigkeiten Fortschritte beim mündlichen Erzählen machen und seinen Wortschatz erweitern.

Nun bin ich gespannt, wie ihr mit dem Poster zu Kapitel 4 arbeitet. Habt ihr auch mit den Kindern ein Märchen nacherzählt oder gemeinsam gelesen? Ich würde mich sehr darüber freuen, von euren Erfahrungen zu hören. Schreibt mir doch mal!

Viel Erfolg mit unserem sprachsensiblen Poster-Material wünscht
Britta Seepe-Smit

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