16. Februar 2024
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Tablet Diktate: Tipps & Tutorial von Mrs. Rupäd im Video

Entdeckt jetzt die Tablet-Diktate als Videotutorial mit wertvollen Tipps! Schaut gleich rein!


Vor einem Jahr habe ich die Tablet-Diktate für meinen Rechtschreibunterricht entwickelt. Da ich in einer Kombiklasse 3/4 unterrichte, muss ich Diktate immer differenzieren. Durch die digitalen Diktate haben sich die Ergebnisse enorm verbessert und ich erfahre als Lehrer ebenfalls eine Entlastung. Doch bis es soweit war, musste ich viel lernen. Darüber möchte ich in diesem Blog-Beitrag berichten.

Diktate 4.0

Sie gelten als überaltert, verpönt, sinnlos – und doch haben sie in allen Schulformen gnadenlos ihren Platz im Lehrplan: Diktate. Von den Schülern werden sie nicht selten abgrundtief gehasst, doch auch bei den Lehrkräften sind sie nicht unbedingt beliebt. So ging es zumindest mir. Vor zwei Jahren habe ich die Klassenleitung für eine Kombiklasse 3/4 übernommen und schon bald entstand folgende Situation: Das erste Diktat steht an, wir üben fleißig und modern mit Lernwörtern und netten Lernstationen. Soweit so gut.

Am Tag des Diktates diktiere ich brav, wie es schon einst meine Grundschullehrerin und alle nachfolgenden Deutschlehrer getan haben. Die ersten Kinder kommen nicht mit. Wie verabredet, halten sie stumm die Hand hoch. Ich wiederhole noch einmal. Und noch einmal. Erstes Stöhnen bei den schnellen Schülern. Wann es denn endlich weiter ginge, möchten sie wissen. Die schwachen Kinder kapitulieren – hochrot und voller Schamgefühl. Ich merke, wie ich innerlich unruhig werde. Diktiere weiter. Die Drittklässler sind nach 75 Wörtern erlöst und schreiben nun brav an ihrer Rechtschreibarbeit mit dem Schwerpunkt ABC“. Die Viertklässler müssen noch 25 Wörter weiter schreiben – so sieht es das Protokoll vor. Auch sie schreiben nun an ihrer Rechtschreibarbeit mit dem Schwerpunkt Wörterbuch“.


Die Ernüchterung bei der Korrektur

Zuhause greife ich voller Tatendrang den Stapel schwarzer Hefte an. Ich korrigiere zielstrebig alle Fehler und verspüre ein ungutes Gefühl in der Magengegend. Vorsichtig erkundige ich mich bei erfahrenen Kolleginnen nach dem Fehlerquotienten“, der letztendlich für die Notengebung ausschlaggebend ist. Zaghaft schreibe ich die angegebenen Noten mit Bleistift unter die Diktattexte meiner Schüler. Mit der Rechtfertigung der pädagogischen Freiheit korrigiere ich mutig den Fehlerquotienten nach oben und merke, dass ich eingreifen muss. Hier an dieser Stelle muss ich etwas verändern!

Diktat

Erste Hilfe: Rechtschreibkrönchen und Abschreibkarteien helfen!

Noch am selben Tag überlege ich mir ein neues Rechtschreib-Trainingssystem und am nächsten Tag haben alle Kinder ein „Rechtschreibkrönchenheft“ (Freut euch auf den Blog-Beitrag zu den Rechtschreibkörnchen: demnächst hier im Grundschul-Blog!). Sie schreiben seitdem jeden Tag im offenen Anfang kleingeschriebene Texte ab und müssen die Groß- und Kleinschreibung erkennen. Sie dürfen mit dem richtigen Text vergleichen und ihren Text korrigieren. Wer dann keine Fehler hat, bekommt ein Krönchen. Nach einem Quartal täglichen Abschreibens steht das zweite Diktat an. Ablauf ähnlich. Die starken Schüler haben sich zwar weiter verbessert, aber die schwachen bleiben beim Diktieren einfach auf der Strecke. Trotz der Rechtschreibkrönchen. Ich bleibe standhaft. Gut Ding will Weile haben.“ Mit Recht.

Nach einem halben Jahr, wendet sich das Blatt. Die Schriften meiner Schüler werden lesbarer, die Fehler geringer. Gerade zu euphorisch bereite ich das dritte Diktat vor, das meiner Meinung nach alles verändern wird. Doch meine Euphorie wird jäh zerstört. Auch hier das gleiche Bild, trotz der guten Ergebnisse beim allmorgendlichen Abschreibritual. Zeitgleich besuche ich eine Arbeitstagung meiner Steuergruppe Medienkompetenz macht Schule“, denn wir sind Projektschule und haben trotz unserer geringen Schülerzahl 15 iPads erhalten, die wir in Klasse 3/4 nutzen. Die App BookCreator“ habe ich direkt erworben und auf allen iPads installiert. Auf der Arbeitstagung werden Ideen ausgetauscht. Für mich der Tag der tatsächlichen Wende. Eine Kollegin überlegt laut, ob es nicht sinnvoll wäre, auch Diktate als eBooks anzubieten. Es kribbelt in meinem Bauch. Die Ideen sprudeln. Ich spüre, dass ich der Lösung meines Problems ganz nah bin.


Wendepunkt: Der Einsatz der Tablets!

Noch am selben Abend bereite ich ein erstes Tablet-Diktat vor und erste Probanden verschiedener Leistungsstufen schreiben es am nächsten Tag. Die Ergebnisse liegen alle im Notenbereich von 1-3. Meine Schüler und ich sind gleichermaßen überwältigt. Schneller als geplant, bereiten wir das nächste Diktat vor. Die Kinder dürfen dann das Diktat schreiben, wenn sie sich fit fühlen. Überraschenderweise fühlen sie sich aber schneller fit, als ich gedacht habe. Der Satz Frau Ruppert, darf ich bitte das Diktat schreiben?“ macht mich unheimlich glücklich.  Sie nehmen sich ein iPad, kommen ans Pult. Per AirDrop schicke ich ein abgestimmtes Diktat zu. Dem Flexible-Seating“ sei Dank, sucht sich jedes Kind einen Lernplatz, zieht den Kopfhörer auf und legt los.

Das Diktat wird wie zuvor ins Diktatheft geschrieben. Voller Spannung korrigiere ich Diktat für Diktat und bin begeistert. Alle haben sich verbessert. Als wir Besuch von einem Lehrer der weiterführenden Schule bekommen und ich unseren Klassenraum vorführe, kommt eine Schülerin und sagt: Frau Ruppert, haben Sie unsere Tablet-Diktate erwähnt? Das ist wichtig, denn das zeichnet uns aus!“ Mir kommen die Tränen und mir fällt augenblicklich soviel Ballast ab. Der Ballast der eingestaubten Diktate. Das ungute Gefühl geht weg und Glückseligkeit macht sich breit. Mit einem wirklich guten Gefühl kann ich meine großen Viertklässler auf die weiterführende Schule entlassen und voller Tatendrang mit den zukünftigen Viertklässlern weiterarbeiten. Erster Schritt: Die Kopfhörer (Modell völlig egal!) kommen auf die Schulbuchliste für das kommende Schuljahr.


Fächerintegration auch beim Diktat

tablet

Die Lernwörter und Lerntexte der Tablet-Diktate beziehe ich immer auf das aktuelle Sachunterrichtsthema. Integrativer Unterricht ist wichtig, denn nur so können sich die Kinder spiralcurricular auf ein Thema einlassen. In der Regel schreibe ich den Diktattext zuerst und markiere alle neuen Wörter – unsere Lernwörter, die ich tabellarisch aufschreibe. Als nächstes differenziere ich den Diktattext dreifach, so dass ich einen Kurztext, Grundtext und Langtext erhalte. Zum Üben des Diktates fertige ich zusätzlich einen leicht abgewandelten Übungstext an. Dieser Übungstext ist dann bereits Grundlage für viele Übungsformen: Lückentext, Schütteltext, Lauf-, Würfel- und Übungsdiktat.

Die einzelnen Wörter üben wir an weiteren Lernstationen. Wir schreiben mit dem Zauberstift (UV-Stift), suchen die Wörter in Trockenerbsen, ziehen sie aus Dosen, ordnen sie nach dem ABC und bilden lustige Unsinnssätze. Besonders motivierend sind die zusätzlichen Übungen am Tablet. Auf der Seite www.learningapps.org kann man einfach und intuitiv wunderbare interaktive Übungsformate erstellen. Hierbei eignen sich z. B. Hangman, Suchsel oder Kreuzworträtsel zum Einprägen der Lernwörter.


Und so wird ein Tablet-Diktat erstellt:

Mit der App „BookCreator“ erstelle ich das Tablet-Diktat. Pro Seite spreche ich nur einen Satz ein. Auf der Deckseite befindet sich eine kurze Einweisung, denn es ist wichtig, dass die Kinder wissen, dass sie den Diktattext beliebig oft hören dürfen. Auf Seite 1 geht es direkt mit Satz 1 los. Zur besseren Orientierung schreibe ich dies immer dazu. Wenn die Kinder anschließend ihren Text korrigieren, ist das eine wichtige Hilfe. Am Ende des eBooks befindet sich noch einmal der komplette Text zum Nachhören und Mitverfolgen.

Fotos: Susanne Ruppert

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Zeit für eine Zwischenreflexion

Für mich haben die Tablet-Diktate folgende Vorteile:

  • Die Kinder schreiben angstfrei in ihrem eigenen Tempo.
  • Die Kinder geraten weniger unter Druck.
  • Langsame Kinder haben die Zeit, die sie benötigen.
  • Schnelle Kinder verlieren durch Warten“ nicht die Konzentration.
  • Durch das Tragen von Kopfhörern haben die Kinder das Gefühl, von ihrer Umgebung abgeschirmt zu sein. Die Konzentration ist dadurch höher.
  • Wenn man flexibles Sitzen in der Klasse etabliert hat, können sich die Kinder beim Schreiben des Diktates ihren Lernort aussuchen und sich so großflächiger in der Lernumgebung verteilen.
  • Differenzierung ist spielend leicht: Schwächere Kinder erhalten einen kürzeren bzw. einfacheren Text als stärkere Kinder – ohne, dass es jemandem großartig auffällt!
  • Die Wiederholbarkeit ist gegeben. Ein Kind ist beim Diktattermin krank? Kein Problem!
  • Es ist auch nicht nötig, dass alle Kinder zum gleichen Zeitpunkt schreiben!
  • Als Lehrer muss ich den Diktattext nur ein einzige Mal einsprechen (ja, mit ein bisschen Übung braucht man wirklich nur einen Durchlauf!)

Im Vergleich zu den vielen Vorteilen, sind es nur wenige Aspekte, die man als Nachteile“ bezeichnen könnte. Es folgt eine Liste von Einwänden, die ich im Laufe des letzten Jahres von Skeptikern gehört habe:

  • Die Kinder werden verwöhnt“ und lernen nicht, im Plenum ein Diktat zu schreiben“!
    Es stimmt, dass die weiterführenden Schulen in der Regel (noch) herkömmliche Diktate schreiben. Ich hoffe, das ändert sich bald. Um die Kinder dennoch nicht ganz unvorbereitet aus der Grundschule zu entlassen, schreiben wir Übungsdiktate immer gemeinsam. Die benoteten Diktate schreiben sie allerdings als Tablet-Diktat.
  • Das ist Spielerei, die Kinder halten sich viel zu lange damit auf und hören sich jeden Satz viel zu oft an!“.
    Diesen Einwand kann ich nicht bestätigen. Im Gegenteil. Während das Diktieren früher oft eine ganze Unterrichtsstunde verschlungen hat, sind die meisten Kinder bereits nach 20 Minuten fertig. Ein paar wenige benötigen mehr Zeit und schreiben eine ganze Schulstunde. Dafür können die restlichen Mitschüler bereits an einer anderen Aufgabe weiterarbeiten.

Mein Fazit:

Mit dem iPad wurde meines Erachtens das Diktat vom Staub der letzten Jahrzehnte befreit. Für mich haben Diktate nach wie vor ihre Berechtigung und ich sehe es als sehr wichtig an, dass Kinder nach Diktat schreiben können. Viele damit verbundenen Nachteile können durch das Nutzen von Tablets kompensiert werden. Dabei ist man nicht an ein bestimmtes Tablet-Modell oder eine bestimmte App gebunden. Sicherlich gibt es mit jedem Tablet eine Möglichkeit, ein Diktat zu gestalten. Meine Schülerinnen und Schüler und ich haben unseren Weg gefunden. Nicht alle schreiben fehlerfrei, aber alle schreiben gerne und mir wird es jedes Mal warm ums Herz, wenn ich gefragt werde: DARF ich das Diktat schreiben?“

Mir ist es eine Herzensangelegenheit, dass mehr Schüler von dieser Art des Diktateschreibens profitieren. Auf meinem Instagram-Profil Mrs.Rupäd finden sich dazu noch mehr Informationen und ich beantworte gerne Fragen.

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