21. Oktober 2022
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Mit dem Erscheinen des Handbuchs im Oktober 2022 ist der Potsdamer Lesetest (PLT 1–4), ein wissenschaftlich fundierter und trotzdem praxisnaher Lesetest für die Grundschule, nun vollständig! Der PLT besteht aus zwei Untertests: Der Untertest Worterkennen (WE) erfasst das basale Lesen auf der Wortebene, der Untertest Leseverstehen (LV) das sinnverstehende Lesen auf der Textebene (vgl. meine bisherigen Blogbeiträge). Schon seit 2021 sind verfügbar:

  • Die Testhefte PLT 1, PLT 2, PLT 3 und PLT 4
  • Die Hinweishefte PLT 1–2 und PLT 3–4. Sie enthalten neben Erläuterungen zur Konzeption des Verfahrens detaillierte Informationen zur Durchführung und zur Auswertung der Untertests sowie zur Interpretation ihrer Ergebnisse, ebenso die Einführung in eine – aufgrund der Ergebnisse der Untertests ggf. angezeigte – Vertiefende Diagnostik.

Was bietet das PLT-Handbuch darüber hinaus?

Das PLT-Handbuch greift diese Themen auf und bietet zudem:

  • einen Überblick über Verfahren zur Leseförderung
  • Informationen zur Normierungsstudie (einschließlich der Normtabellen)
  • Angaben zur Testgüte, d.h. der Objektivität, Reliabilität und Validität des Verfahrens
  • einen Einblick in die Testentwicklung
  • Daten zu Unterschieden in den Testergebnissen zwischen Jungen und Mädchen und zwischen Kindern mit Deutsch bzw. einer anderen Sprache als Familiensprache („Differenzielle Ergebnisse“)

Für Lehrkräfte ist sicher der Überblick über die verschiedenen Ansätze zur Förderung der Lesekompetenz besonders relevant. Aber ich denke, dass auch die Testentwicklung interessant ist, z. B. stellen sich Fragen zur Aufgabenschwierigkeit ähnlich bei der Gestaltung von Aufgaben für Klassenarbeiten. Und natürlich sind die differenziellen Ergebnisse von Brisanz…

Wir haben uns bemüht, Fachtermini zu vermeiden und – wenn sie doch notwendig waren – die entsprechenden Begriffe verständlich zu erläutern.

Hier einige Einblicke – und einige Fragen für Euch!


Zur Leseförderung

Das Kapitel zur Leseförderung gliedert sich in drei Unterkapitel. Das erste Kapitel, die Förderung des Worterkennens, wird noch weiter untergliedert in die Förderung basaler Kenntnisse (z. B. Zuordnung von Phonemen zu Graphemen) und basaler Kompetenzen (z. B. Synthesefähigkeit), die Förderung der Lesegenauigkeit und die Förderung der Lesegeschwindigkeit. Die beiden anderen Unterkapitel befassen sich mit Verfahren zur Förderung der Leseflüssigkeit (nicht identisch mit der Lesegeschwindigkeit) und der Förderung des Leseverstehens, Letzteres z. B. über die Vermittlung und Einübung von Lesestrategien. Die Vielfalt der unterschiedlichen Zugänge innerhalb der Leseförderung „schreit“ geradezu nach einer vorausgehenden Diagnostik, die – in Ergänzung zu den täglichen Beobachtungen im Unterricht – die Richtung für eine effektive Förderung vorgibt. Die Testwerte des PLT 1–4 bieten hierfür Ansatzpunkte, die Ergebnisse aus der Vertiefenden Diagnostik Hinweise für eine passgenaue Förderung vor allem bei basalen Leseproblemen.

Potsdamer Lesetest: Ganz einfach den Lernstand im Lesen feststellen

Zur Testgüte

Ein Aspekt der Testgüte, die Validität eines Tests, gibt an, ob der Test tatsächlich die Kompetenzen oder Teilkompetenzen erfasst, die er messen möchte. Ein Weg, diese Frage zu untersuchen, ist der Vergleich mit ähnlichen Testverfahren, die in dieser Hinsicht schon validiert wurden. Hierbei nehmen die Schülerinnen und Schüler nicht nur am Test teil, der validiert werden soll, sondern ebenso an einem oder mehreren weiteren Testverfahren mit einer vergleichbaren Zielsetzung; über statistische Verfahren (Korrelationen) wird die Höhe des Zusammenhangs zwischen den jeweiligen Testergebnissen ermittelt. Für den PLT Untertest Leseverstehen war ein relativ hoher Zusammenhang mit dem Lesetest ELFE II zu erwarten, was sich auch für alle Klassenstufen bestätigte.

Eine weitere statistische Analyse ergab, dass die PLT Untertests, der Untertest zum Worterkennen (WE) und der Untertest zum Leseverstehen (LV), tatsächlich unterschiedliche Teilaspekte der Lesekompetenz erfassen. Und – unser Konzept bestätigend – korrelieren die Ergebnisse aus einem Test zum Grammatikverständnis (TROG-D) höher mit den Ergebnissen aus dem Untertests Leseverstehen (LV) des PLT als mit den Ergebnissen aus dem Untertest Worterkennen (WE).


Zur Testentwicklung

Der jetzigen Fassung des PLT liegen langjährige Vorarbeiten zugrunde; im Schuljahr 2017/18 wurde dann in einer Pilotstudie eine Vorfassung des jetzigen Tests erprobt. Es war vor allem zu klären, ob die Schwierigkeit der Aufgaben und die Bearbeitungszeiten den jeweilige Klassenstufen angemessen waren. Im Untertest Leseverstehen (LV) dürfen die Texte weder zu leicht noch zu schwierig sein – in beiden Fällen wäre eine differenzierte Erfassung des Leseverständnisses kaum möglich. Aufgrund der Ergebnisse der Pilotstudie wurden einige Texte bzw. Textlücken überarbeitet.

Der Untertest Worterkennen (WE), in dem in einer Wortliste die Tierwörter anzukreuzen sind, wurde primär als Geschwindigkeitstest konzipiert; damit die Ergebnisse auch wirklich als Indikator der Lesegeschwindigkeit interpretierbar sind, ist eine hohe Genauigkeit erforderlich. Aufgrund der Ergebnisse der Pilotstudie und der Rückmeldung der Kinder und Lehrkräfte wurden in den ursprünglichen Wortlisten einige Tierwörter ausgetauscht und prinzipiell nur der Singular verwandt. Die Überarbeitung gelang im Prinzip recht gut; in der Normierungsstudie lag die Genauigkeit in der 1. Klasse bei 91%, in den anderen Klassenstufen betrug sie 94%. Interessant sind aber die (wenigen) Wörter, die nur eine Genauigkeit zwischen 65% und 80% erreichten. Vermutlich spielen hier mehrere Faktoren eine Rolle, die das Dekodieren und/oder Verstehen eines Wortes erschweren, und ich möchte Euch einladen, selbst über mögliche Gründe nachzudenken – vielleicht in Kommentaren zu diesem Blogbeitrag? Zu den Wörtern mit einer relativ hohen Fehlerrate gehören:

1. Klasse: Laus, Hai, Pfau, Panther, Geier, Adler
2. Klasse: Laus, Panther, Rind, Geier, Adler
3. Klasse: Laus, Panther, Marder
4. In der 4. Klasse lag die Laus knapp unter 80%, der Geier knapp über 80%. Der Zaunkönig (neu auf dieser Stufe) erreichte nur eine Genauigkeit von 42%.

Zu beachten ist, dass ein Vergleich zwischen den Klassenstufen nur eingeschränkt möglich ist, da die Wortlisten nur teilweise identisch sind (so war das Rind noch nicht in der Wortliste für die 1. Klasse, der Marder noch nicht in den Wortlisten für die 1. und 2. Klasse) und auch jeweils nicht alle Wörter bearbeitet wurden. Im Anhang des PLT-Handbuchs kann man die Ergebnisse zur Genauigkeit für alle Wörter aus den verschiedenen Wortlisten nachschauen.

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Zu den Differenziellen Ergebnissen

Der Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund bzw. Mehrsprachigkeit und der Leseleistung wurde über den Vergleich der Leistungen zweier Gruppen ermittelt:  Schülerinnen und Schüler mit Familiensprache nur Deutsch und Schülerinnen und Schüler mit einer anderen Sprache als Familiensprache oder mit Deutsch und einer anderen Familiensprache. Es ergaben sich durchgehend höhere mittlere Testwerte für die Schülerinnen und Schüler mit nur Deutsch als Familiensprache; die Größe der Differenzen (Effektstärken) unterschied sich jedoch für die verschiedenen Messwerte und Klassenstufen: Würdet Ihr größere Effekte bezüglich der Lesegenauigkeit oder der Lesegeschwindigkeit erwarten?

Nicht überraschend fand sich auch ein Einfluss des Geschlechts auf die Leseleistung, d.h. Mädchen zeigten im Durchschnitt etwas höhere Leistungen. Der Effekt war allerdings nicht sehr stark. Über die Klassenstufen war eine systematische Veränderung zu beobachten: Was vermutet Ihr? Steigen die Differenzen vom 1. bis zum 4. Schuljahr an oder werden sie eher kleiner?

Antworten auf diese Fragen und unsere Überlegungen zu den „schwierigen“ Wörtern aus dem Worterkennungstest (WE) findet ihr in meinem nächsten Blogbeitrag in etwa zwei Wochen.


Materialien für Lehrkräfte zum PLT:

Testhefte des PLT – Potsdamer Lesetests:

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