23. August 2023
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In jedem Schuljahr lese ich mindestens eine Lektüre mit meiner Klasse. Meist nutze ich dafür die Zeit nach Ostern. Im zweiten Schuljahr ist diesmal meine Wahl auf „Die kleine Hexe“ gefallen. Dieser Klassiker von Otfried Preußler bietet, in der Variation der „Kleinen Lesehelden“, auch jüngeren Leser:innen einen märchenhaften Zugang zur Literatur. Die passenden Handreichungen und Kopiervorlagen machen daraus ein Rundum-Sorglos-Paket.

Handlungs- und produktionsorientierte Verfahren ermöglichen auch leseschwächeren Schüler:innen eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Text. Sie sorgen für Motivation und Lesefreude. Doch was ist eigentlich ein handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht?

Weitere Informationen zur kleinen Hexe findet ihr auch in diesen Beitrag.

Die kleine Hexe Lektüre Cover

Was ist Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht?

Der handlungsorientierte Unterricht hebt das praktische Handeln und den Gebrauch der Sinne beim Umgang mit gegebenen Texten hervor. Er schafft für langsamere und literaturfernere Schüler:innen eine Basis, sich dem Text individuell zu nähern und spielerisch mit ihm umzugehen. Zusätzlich ermöglicht er das Einfühlen in im Text gestaltete Verhaltens- Denk- Fühl- und Sichtweisen. Ebenfalls zielt er auf eine ganzheitliche und pädagogische Veränderung des Unterrichts ab.

Im produktionsorientierten Unterricht erreichen die Schüler:innen durch produktive Verfahren ein intensives Textverständnis. Der Unterricht beinhaltet nicht nur das Mitschaffen von Texten, sondern auch die Herstellung von Texten.

Der Handlungs- und produktionsorientierte Unterricht (HPU) akzentuiert zwei Grundformen eines aktiv-produktiven Tuns:

  • den vielfältigen, durch praktisches Handeln und den aktiven Gebrauch der Sinne bestimmten Umgang mit gegebenen Texten.
  • das produktive Erzeugen von neuen Texten bzw. Textvarianten

Hierfür gibt es spezielle Methoden, die sich besonders eignen und die sich wie folgt unterscheiden lassen.


Methoden im Handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht

Die Methoden des HPU lassen sich in vier Kategorien einteilen:

  • Textproduktive Verfahren
    Restaurieren und Antizipieren (Fortsetzung eines Kapitels, Gedicht …)
    Transformieren (Brief, Tagebucheintrag, Figur in Ich-Form vorstellen …)
  • Szenische Gestaltung
    (Textintention als lebendes Bild, Pantomime, Rollenspiel …)
  • Visuelle Gestaltung
    (Bilder zu einem Text, Bildcollagen …)
  • Akustische Gestaltung
    (verschiedene Vortragsweisen, Textstellen vertonen …)

Zur Umsetzung dieser Methoden bedarf es keiner großartigen Voraussetzungen. Hilfreich sind grundsätzlich Sensibilität mit Reflexion, Fantasie mit Gestaltungsfähigkeit sowie die Wahrnehmung des Fremden und damit bewusst eine eigene Position zu verbinden.


Ziele des Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterrichts

Das Hauptziel des HPU ist die Herstellung eines engen, intensiven Kontaktes mit dem Text, durch handelndes Reagieren auf ihn und produktives Agieren mit ihm. Zusätzlich soll er unter anderem die Lesebereitschaft und Lesefähigkeit entwickeln, die Wahrnehmung sensibilisieren und die sinnhaften und emotiven, in gleicher Weise wie die kognitiven Möglichkeiten, der Kinder entfalten.

Uns Grundschullehrkräften wird dies fast täglich bewusst: Mit einem rein analysierenden und interpretierenden Unterricht werden wir einer Großzahl unserer Schüler:innen gar nicht gerecht. Der Zugang zu den Texten erfolgt bei vielen Kindern über die Sinne und das eigene Tun. Der HPU geht über die Rezeption hinaus und zielt eindeutig nicht auf einheitliche Ergebnisse ab.


HPU mit der kleinen Hexe – Unsere Methoden im 2. Schuljahr

Im zweiten Schuljahr habe ich genau diese Vorzüge ausgenutzt und eine Unterrichtseinheit aufgebaut, mit der ich alle Kinder meiner Klasse erreichen konnte. Die facettenreichen Methoden des HPU ziehen jedes Kind in seinen Bann und steigern ganz nebenbei die Lesemotivation und Lesefreude immens.

Meine komplette Unterrichtseinheit zur kleinen Hexe könnt ihr euch am Ende des Beitrags kostenlos downloaden. Ich habe sie tabellarisch notiert und bestimmte Methoden hervorgehoben. Diese möchte ich euch hier genauer vorstellen.

Die kleine Hexe auf Besen Illustration
  • Das Lesetagebuch

Im Rahmen der Unterrichtseinheit zur kleinen Hexe habe ich das Lesetagebuch zum ersten Mal im zweiten Schuljahr gestartet. In ihrem Lesetagebuch halten die Kinder zu jedem Kapitel Eindrücke und Gedanken fest, die ihnen beim Lesen durch den Kopf gehen. Sie schreiben auf, was sie beeindruckt oder ärgert, was sie interessiert oder ratlos macht, was sie freut oder was ihnen missfällt. So schaffen sie sich ein ganz persönliches Andenken über ihr Leseerlebnisse.

In den Kopiervorlagen und Unterrichtshinweisen zur kleinen Hexe findet ihr eine passende KV, die sich hervorragend als Einstieg in die Arbeit mit dem Lesetagebuch eignet. Hier dürfen die Kinder malen und schreiben, was in dem gelesenen Kapitel passiert. Diese didaktische Reduktion kann von allen Kindern sehr gut umgesetzt werden. Weitere Seiten können dann, je nach Leistungsstand, individuell gestaltet werden und geben dem Lesetagebuch letztendlich die persönliche Note. Weitere Informationen findet ihr im Beitrag zum Lesetagebuch.

  • Das Blitzlicht

In einem Blitzlicht äußern die Schüler:innen blitzschnell einen Gedanken, der ihnen zu einem Impuls (Gegenstand, Bild, Geräusch, Wort o.ä.) durch den Kopf geht. Dies geschieht reihum, optimalerweise im Sitzkreis, indem ggf. ein passender Gegenstand zur Unterrichtseinheit herumgegeben wird. Das Kind, welches den Gegenstand in der Hand hält, darf seinen Gedanken aussprechen. Dabei gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es handelt sich um eine optimale Methode um beispielsweise Inhalte zu reaktivieren.

  • Das szenische Spiel

Im szenischen Spiel geht es um einen Rollentausch. Die Kinder begeben sich in eine Rolle, die eigene oder eine angenommene und spielen auf einer „Bühne“ Situationen, Gedanken, Gefühle und Handlungen im Stegreif aus. Auf diese Weise können die Kinder ihre Erfahrungen autonom machen, ohne fremden Eingriff. Im Rollenspiel sind Gefühle und alle Sinne beteiligt. Bereichernde Elemente wie Fantasie, Wahrnehmung und Kreativität werden spontan und nutzbringend eingesetzt. Der Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. Dabei ist die Vorbereitung denkbar einfach: Ein paar kleine Requisiten (in unserer Einheit Kopftücher für die Hexen und einen Hut für den Förster) reichen schon vollkommen aus. Weitere Informationen findet ihr im Beitrag zum szenischen Spiel.

  • Das literarische Gespräch

Das literarische Gespräch lenkt das Augenmerk der Schüler:innen auf Inhalte, die sich beim Lesen nicht exakt erschließen lassen und die die Lerngruppe beim erstmaligen Lesen so nicht wahrnimmt. Zur Vorbereitung müssen die Kinder den dafür notwendigen Textteil lesen und die, für sie, besonderen Stellen unterstreichen. Dafür muss ggf. eine Kopie des Textteils erstellt werden. Ich hatte diesen Part als Hausaufgabe aufgegeben. Im Sitzkreis liest die Lehrkraft dann Anfang und Ende des vorbereiteten Textteils vor. Die Schüler:innen nennen im Anschluss (ohne Wortmeldung) kommentarlos ihre zu Hause unterstrichenen Textstellen. Dieser Beginn unterstützt das Lesen bereits bekannter Textstellen und ermöglicht auch leseschwachen Schüler:innen eine motivierende Mitarbeit. (Zur Unterstützung können die Kinder hierbei sogar noch einen Lesepfeil nutzen. Diesen hatten wir im Rahmen unserer Unterrichtseinheit thematisch zur kleinen Hexe gestaltet. Eine passende KV findet ihr ebenfalls kostenlos am Ende meines Beitrags.) Im Anschluss wird dann, anhand eines weiteren Impulses (Gegenstand, Bild, Geräusch o.ä.) in die tiefergehende Interpretation übergeleitet. Weitere Informationen findet ihr im Beitrag zum Lesepfeil im Zebrafanclub.

  • Der magische Kreis

Im magischen Kreis haben die Kinder die Möglichkeit, direkt in die Geschichte und/oder die darin handelnden Personen einzutauchen. Dies ermöglicht eine tiefergehende emotionale Auseinandersetzung, einen Perspektivwechsel und macht dazu noch riesigen Spaß. Alles, was ihr dazu benötigt, ist ein (Spring-)seil und ein paar Muggelsteine. Das Springseil formt ihr zu einem Kreis. Die Muggelsteine legt ihr rundherum. Dann kann es auch schon losgehen. Das Kind, welches in den magischen Kreis treten und die Story hautnah erleben möchte, sucht sich ein Partnerkind. Es schließt die Augen, wird dreimal von seinem Partnerkind gedreht und dann vorsichtig in den magischen Kreis geführt. Dort angekommen, dürfen die Mitschüler:innen Fragen stellen. Das Partnerkind nimmt die Fragensteller dran. Das Kind im magischen Kreis beantwortet diese, so wie es das eben gerade erlebt. Das kann und darf bei jedem Kind anders sein. Auch hier gilt: Es gibt kein Richtig und kein Falsch, weil nur das Kind im magischen Kreis in die Welt der Geschichte eintaucht. Sind alle Fragen beantwortet, so wird es wieder vom Partnerkind aus dem magischen Kreis geführt und dreimal (andersherum) gedreht. Danach ist es wieder im Hier und Jetzt. Diese Methode hat etwas wahnsinnig Magisches und bereitet eure nächste Produktionsphase optimal vor.


Als Abschluss unserer Unterrichtseinheit haben wir noch eine große Hexenparty gefeiert. Dazu haben wir eine Wimpelkette, Hexenhüte und Button gebastelt. Es gab eine kleine Vorleserunde, ein Hexenmahl, ein Hexenquiz und jede Menge Hexenspiele … auch mit dem gebastelten Schuhkarton-Theater. Die passenden Ideen und Vorlagen hierzu findet ihr ebenfalls in den Kopiervorlagen und Unterrichtshinweisen.

Ich bin gespannt, ob sich die kleine Hexe im neuen Schuljahr auf ihren Besen schwingt und auch zu euch und eurer Lerngruppe kommt. Freut euch auf das spannende Abenteuer! Auf unserem Instagram-Account zebra_franz findet ihr viele weitere leseverhexte Ideen für euren Unterricht.

Herzlichst, eure Theresa



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