19. Juli 2018
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Im folgenden Beitrag werden die Potentiale der Book-Creator-App in konkreten Unterrichtssituationen bei Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen vorgestellt.

In der eigenen Lehrtätigkeit wurde die App in diversen Unterrichtssituationen in heterogenen Lernsettings eingesetzt – die gezeigten Beispiele sind aus verschiedenen E-Books entnommen, welche die Schülerinnen und Schüler mit der App BookCreator nach kurzer Einweisung selbsttätig und selbstbestimmt erstellt haben.

Was versteht man unter Usability?

Der Einsatz von Tablets für heterogene Lernsettings hängt mit der Usability zusammen.

„Bereits an anderen entscheidenden Stationen der Technikgeschichte zeigte sich, dass erstens Vereinfachungen beziehungsweise Verbesserungen der Usability stets zu breiterer Nutzung und zweitens der komfortable Zugang zu einer intensiveren Nutzung führten“(Knaus, 2013, 33).

Was versteht man unter Usability? Synonyme für Usability sind Nutzbarkeit, Nützlichkeit, Benutzerfreundlichkeit oder leichte Handhabung. Usability lässt sich in drei Bereiche aufteilen: Effektivität, Effizienz sowie Zufriedenheit.

„Die Usability oder Gebrauchstauglichkeit eines Produktes ist das Ausmaß in dem es von einem bestimmten Benutzer verwendet werden kann, um bestimmte Ziele in einem bestimmten Kontext effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“ (Lübbecke, 2012, 155).

Indikatoren für Effektivität und Effizienz sind nach Holzinger (2011):

„Effektivität wird daran gemessen, ob und in welchem Ausmaß die Endbenutzerinnen und Endbenutzer ihre Ziele erreichen können. Effizienz misst den Aufwand, der zur Erreichung dieses Zieles nötig ist“.

Konkret bedeutet das, …

Konkret bedeutet das, dass beispielsweise die direkte Bedienung mittels Touchmonitor den Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen aufgrund der Usability von Tablets entgegenkommt. Ladel (2016) erläutert mögliche Probleme bei der Computernutzung mit Maus. Die Dreifach-Koordination, sprich das simultane Koordinieren von Auge, Hand sowie Mauszeiger kann für manche Nutzerinnen und Nutzer herausfordernd sein.

„Durch die technologische Entwicklung der Touch-Funktion konnte diese Schwierigkeit der Dreifach-Koordination behoben werden. Die Kinder sind nun in der Lage, mit ihren Fingern direkt auf dem Bildschirm zu handeln und mit virtuellen Objekten zu operieren“ (Ladel, 2016, 252).
„Die Vorteile eines Touchscreens liegen darin, dass der Schüler seine Blickrichtung bei der Gerätebedienung nicht ändern muss (von den Eingabemedien zum Bildschirm und zurück), er einerseits unmittelbares visuelles Feedback auf seine Eingabe erhält …, andererseits gleichzeitig visuelle Kontrolle seiner Handbewegungen und der Bildschirmdarstellung hat“ (Lingen, 1994, 83).

Das bedeutet, dass ein Potenzial für den Personenkreis in der direkten Ansteuerung der Tablets liegt.


Potenziale bei der Integration von Tablets im Schulalltag

Aufgrund der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sind Unterrichtsprinzipien wie Individualisierung und Differenzierung immanent in der Unterrichtsplanung bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (vgl. Terfloth & Bauersfeld 2012, 49). In der Unterrichtsplanung werden verschiedene Faktoren identifiziert, die die geplante Stunde beeinflussen. Auch werden Schüleraktivitäten antizipiert. In diesem Zusammenhang haben Tablets ein gewissen Potenzial, da durch die Integration verschiedener Medienfunktionen, wie Fotocamera, Sprachaufnahmegerät die Schülerinnen und Schüler mit einem Gerät arbeiten können.

In der Regel sind die verschiedenen Funktionen in bestimmte Apps eingebaut. Das bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler nicht verschiedene Bedienkompetenzen für unterschiedliche Geräte benötigen. Durch die Integration der verschiedenen Funktionen sind die Anforderungen an die Bedienkompetenz geringer, da man mit einem Gerät sehr viel machen kann. In Verbindung mit unterschiedlichen Schüleraktivitäten ist hier ein weiteres Potenzial erkennbar: es müssen nicht mit einem Gerät Medien erstellt und dann transfiert werden, bevor sie bearbeitet werden. Es finden wenige Medienbrüche statt, was auch als Medienkonvergenz bezeichnet wird (vgl. Knaus & Engel, 2015, 24).


Was zeichnet die App BookCreator aus?

Die App BookCreator (von Red Jumper) zeichnet sich durch Integration verschiedener multimedialer Gestaltungselemente aus. Das bedeutet, dass durch die App auf die individuellen Lernvoraussetzungen und Zugangsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler eingegangen werden kann. Bei entsprechenden Voraussetzungen können

  • Textelemente gestaltet
  • Fotos eingefügt und bearbeitet
  • Zeichnungen angefertigt
  • Sprachaufnahmen erstellt werden.

Wegen des breiten Spektrums der multimedialen Gestaltungselemente können die Schülerinnen und Schüler an einem gemeinsamen Lerngegenstand arbeiten. Dies ist das nächste Potenzial für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Es sind ein paar Features, welche man dem Bereich der Bedienungshilfen (Accessibility) zuordnen kann.

„Unter Accessibility versteht man den barrierefreien Zugang zu einer Sache, in diesem Kontext zu einer computerunterstützten Anwendung“ (Lübbecke, 2012, 155).

Ein tolles Feature, welches in der App eingebaut ist, ist die Vorlesefunktion. Damit können sich Schülerinnen und Schüler im Prozess der Bucherstellung Passagen vorlesen lassen und eventuelle Korrekturen vornehmen.


Zu nennen ist noch ein weiteres Feature, welches einer weiterer App bedarf. Assistiveware produziert Apps, u.a. die App Keeble. Keeble kann als weitere Tastatur in iOS eingebaut werden. Bestimmte Apps erlauben, dass man auf die alternative Tastatur Keeble zugreifen kann, wie bspw. BookCreator. Keeble ermöglicht das individuelle Gestalten von Tastaturen (farblich, Anordnung der Buchstaben nach Häufigkeit …).

Mit Keeble können auch Schülerinnen und Schüler mit starken motorischen Beeinträchtigungen durch das Scanning-Verfahren auf die Tastatur zugreifen (in Kombination mit einem Bluetooth-Interface).

Das bedeutet, dass der Personenkreis, der E-Books mit der App BookCreator erstellen kann, durch die Keeble-Tastatur erweitert wurde, da auch Schülerinnen und Schüler mit starken motorischen Beeinträchtigungen eine Zugangs- und Bearbeitungsmöglichkeit haben. Mit den Features aus dem Bereich Accessibility wird ein weiteres Potenzial der App BookCreator ersichtlich.

Ein weiteres Merkmal der App BookCreator ist, dass das kollaborative Arbeiten möglich ist. An einem gemeinsamen E-Books kann in der iOS-App oder browserbasiert in Chrome (Google) auf dem Computer oder auf Android-Tablets gearbeitet werden. Auch mit iOS erstellte E-Books können im Chrome-Browser betrachtet, bearbeitet und vorgelesen werden.

Anhand dieses Beispiels konnten die verschiedenen Dimensionen der Medienkompetenz nach Baacke (1996) aufgezeigt werden. Dies ist auch für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf möglich, weil die genutzten und bearbeiteten Medien als barrierearm betrachtet werden können. Darin liegen die Potenziale von Tablets und der App BookCreator im Unterricht.


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Quellen:
Baacke, D. (1996): Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: v. Rein, A. (Hrsg.): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn, S 111–123. http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-1996/rein96_01.pdf#page=111

Holzinger, (2011): Human-Computer-Interaction. Usability Engineering im Bildungskontext. In: Ebner, M.; Schön, S. (Hrsg.): L3T – Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien. Norderstedt: Books on demand, S. 85-92.

Ladel, S. (2016): Digitale Medien im Mathematik-Unterricht der Grundschule. In: Peschel, M.; Irion, T. (Hrsg.): Neue Medien in der Grundschule 2.0. Frankfurt a. M.: Grundschulverband, S. 154-165.

Lingen, A. (1994): Elektronische Kommunikationshilfen für nichtsprechende Schülerinnen und Schüler mit infantiler Zerebralparese. Grundlagen, Ziele, Möglichkeiten. Wetter: Forschungsinst. Technologie-Behindertenhilfe.

Lübbecke, H. (2012): Tangible User Intefaces und Accessibilty. In: Robben, B.; Schelhowe, H. (Hrsg.): Be-greifbare Interaktionen. Der allgegenwärtige Computer: Touchscreens, Wearables, Tangibles und Ubiquitous Computing. Bielfeld: transcript, S. 155-163.

Knaus, T.; Engel, O. (2015): „… auch auf das Werkzeug kommt es an“ – Eine technikhistorische und techniktheoretische Annäherung an den Werkzeugbegriff in der Medienpädagogik. In: Knaus, T. (Hrsg.): fraMediale – digitale Medien in Bildungseinrichtungen. Band 4. München: Kopaed, S. 15-57.

Knaus, T. (2013): Technik stört! Lernen mit digitalen Medien in interaktionistisch-konstruktivistischer Perspektive. In: Knaus, T.; Engel, O. (Hrsg.): fraMediale – digitale Medien in Bildungseinrichtungen. Band 3. München: Kopaed, S. 21-60.

Terfloth, K.; Bauersfeld, S. (2015): Schüler mit geistiger Behinderung unterrichten. München, Basel: Reinhardt.

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